Bericht von der sechsten Sitzung des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses in Stuttgart am 30. Januar 2017

0

Die sechste Sitzung des baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschusses wurde zum ganztägigen Mammut-Termin. Trotzdem haben wir uns entschieden, einen recht ausführlichen Bericht zu veröffentlichen. Zum einen, weil die Vernehmungen von Zeugen des BKA, des LKA und des Verfassungsschutzes einen Einblick in die NSU-Ermittlungen und die Arbeitsweise der Behörden gewähren. Zum anderen, weil zwei zentrale Kontaktpersonen von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe aus der Ludwigsburger Neonaziszene erstmals öffentlich als Zeugen gehört wurden. Nichtsdestotrotz fällt in der Nachbetrachtung auf: wesentliche neue Erkenntnisse über die NSU-Kontakte in den Südwesten konnte der Untersuchungsausschuss weiterhin nicht gewinnen.

Als erster Zeuge wurde der Kriminaloberrat Axel Kühn vom Bundeskriminalamt gehört. Er war im Oktober 2015 bereits im ersten NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart vernommen worden. Jetzt war er geladen, um die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Behörden in Baden-Württemberg und dem BKA zu schildern.

Alle fünf betroffenen Bundesländer seien als regionale Einsatzabschnitte in die BAU Trio eingebunden gewesen – wegen des Anschlags in Heilbronn somit auch das LKA Baden-Württemberg. Diese Planung sei auch mit den Ländern abgesprochen gewesen. Mit dem LKA Baden-Württemberg habe man also einen festen Abschnitt in der BAO Trio gehabt, man sei aber auch mit weiteren Stellen in Baden-Württemberg auf verschiedenen Ebenen in ständigem Austausch gewesen.
Kühn verwies auf das „Gemeinsame Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum“ (GETZ) und das im GETZ aufgegangene „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/terrorismus“ (GAR), in dem Baden-Württemberg auch eingebunden gewesen sei. Darüberhinaus gebe es die „Kommission Staatsschutz“ der Staatsschutzleiter der Bundesländer unter Federführung des BKA-Abteilungsleiters Staatschutz mit regelmäßigen Sitzungen. Auch dort habe er in den regelmäßigen Sitzungen fortlaufend über die Ermittlungen informiert.
Kühn erwähnte außerdem die sogenannten Altfallüberprüfungen, in die alle Bundesländer eingebunden gewesen seien, um weitere eventuell begangene Straftaten den NSU-Tätern zurechnen zu können.

Ende April 2012 sei der Regionale Ermittlungsabschnitt Baden-Württemberg (RegEA BaWü) aufgelöst worden, das LKA habe aber für mögliche weitere Ermittlungsaufträge weiter in laufendem Austausch mit dem BKA gestanden. In der Abteilung Staatsschutz des LKA habe es außerdem die EG Rechts gegeben, die sich im Spätsommer 2012 aufgelöst habe und später zur EG Umfeld geworden sei.

Dann erwähnte Kühn das Thema „Überhänge“, also Erkenntnisse aus den Ermittlungen, die oft gar nicht mit dem unmittelbarem Tatvorwurf aus der NSU-Anklageschrift in Verbindung gebracht werden konnten. Diese Überhänge habe man im Herbst 2012 aktiv den Bundesländern angeboten. Die EG Umfeld habe das dann später auch aufgegriffen, nachdem sie sich im Januar 2013 als Nachfolge der EG Rechts konstituiert habe mit dem Auftrag, außerhalb der Kernermittlungen nach Erkenntnissen für das Land Baden-Württemberg zu schauen.
Mit der EG Umfeld seien sie in sehr engem Austausch gewesen, das Land habe als ehemaliger RegEA weiter Zugriff auf die zentrale Ermittlungs-Datei gehabt. Insofern sei der Austausch mit dem Land Baden-Württemberg am intensivsten von allen Ländern gewesen, was aufgrund der Betroffenheit des Landes Baden-Württemberg auch nachvollziehbar sei. Er würde die Zusammenarbeit also als gut bewerten.

Im Anschluss stellte Kühn die aktuelle Struktur der BAO Trio dar, die im November 2012 in eine EG überführt worden sei. Die EG Trio sei auch heute noch aktiv beim BKA mit 26 Mitarbeitern. „Das soll auch die Botschaft heute sein, dass Ermittlungen nicht abgeschlossen sind.“ Man arbeite laufende Aufträge aus der Hauptverhandlung am OLG München ab und darüber hinaus auch Dinge, die jetzt im Rahmen der parlamentarischen Aufklärung noch aufkommen würden.

Der Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) hielt Kühn dann einen Pressebericht vor, nach dem der ehemalige Leiter der BAO Trio vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss von einer „chaotischen Anfangsphase der Ermittlungen“ 2011 gesprochen habe. Kühn entgegnete, Anfangsphasen seien oft nicht so, wie man sich das am Schreibtisch vorstelle und es seien angesichts der Lage große Herausforderungen gewesen, er würde aber nicht von chaotischen Zuständen sprechen.

Dann ging es um eine Email des LKA, aus dem sich laut Drexler möglicherweise ergeben könnte, dass das BKA kein Interesse an Umfeldermittlungen in Baden-Württemberg gehabt habe. Das wollte Kühn nicht so stehen lassen. Er erwähnte den Ermittlungsauftrag des Generalbundesanwalts an das BKA und wies den Vorwurf des mangelnden Interesses zurück. Aus dem BKA sei gerade die Idee gekommen, den Ländern die Ermittlungsüberhänge zur Verfügung zu stellen und Baden-Württemberg habe vollen Zugriff auf die gemeinsame Ermittlungsdatei gehabt.
Bezüglich einer Weitergabe von Akten an das LKA habe das BKA immer Rücksprache mit dem GBA gehalten. Der Informationsaustausch sei aber aus seiner Sicht gut gewesen. Eine schriftliche „förmliche Vereinbarung“ vom 26. April 2012 zwischen LKA und BKA anlässlich der Auflösung des RegEA über den Informationsfluss versuchte Drexler dann kritisch zu hinterfragen. Kühn hob aber hervor, er sei froh über diese schriftliche Vereinbarung, weil sie auch Jahre später noch Zuständigkeiten kläre und Rechtssicherheit gebe: „Ich würde das immer wieder so machen.“
Die Kritik von Drexler zielte darauf ab, dass das LKA seine Aktenanforderungen auch schriftlich begründen und somit einen gewissen Aufwand betreiben musste, um Akteneinsicht beim BKA/GBA zu bekommen. Kühn antwortete, dies höre sich dramatisch an, die Umsetzung sei aber unkomplizierter gewesen. Die Kollegen aus Baden-Württemberg seien immer wieder mehrere Tage im BKA gewesen, hätten dort die Akten rausgesucht, die sie brauchten und das BKA habe diese Akten dann beim GBA beantragt.
Drexler beklagte trotzdem einen „bürokratischen Aufwand ohne Ende“. Kühn hielt dem die formellen Vorgaben des GBA und datenschutzrechtliche Belange entgegen. Es habe diesbezüglich auch keine Beanstandungen gegeben. Drexler versuchte weiter zu ergründen, ob die von seinem Parteifreund Reinhold Gall eingesetzte EG Umfeld möglicherweise nicht alle Informationen über Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg zur Verfügung gehabt habe, die sich gebraucht habe. Kühn verneinte dies allerdings klar.

Kühn führte dann aus, dass das BKA bezüglich weiterer NSU-Unterstützer weiterhin offen und umfangreich ermittle – auch in Baden-Württemberg. Es sei deshalb auch ein Verfahren gegen unbekannt eingeleitet worden. Niemand sei davon überzeugt, dass es auf gar keinen Fall weitere Unterstützer gebe, nach den intensiven Ermittlungen habe man aber keine Hinweise darauf gefunden. „Die kriminalistisch am besten untermauerte These besagt, dass es in Heilbronn die beiden Täter alleine waren.“

Kühn erwähnte offene Fragen bzgl. des Fluchtwegs des Wohnmobils oder der Autoanmietung. Er wies darauf hin, dass die Einlassung von Beate Zschäpe vor dem OLG München hinsichtlich des Motivs für die Tat in Heilbronn die Vermutung bestätigt habe, dass es um die Bewaffnung der Täter ging.

Drexler fragte dann zu einem Antwortschreiben des LfV Baden-Württemberg an das BfV vom 5. März 2012, nach dem in Heilbronn zum Tatzeitpunkt keine signifikante rechtsextremistische Szene existiert habe. Kühn erwiderte, man habe trotz dieser Einschätzung des Verfassungsschutzes aufwändige Ermittlungen durchgeführt insbesondere zu den Kontakten des NSU nach Ludwigsburg. Es sei schon interessant, dass das Trio nach dem Abtauchen fast alle Kontakte zu alten Weggefährten abgebrochen habe, aber in Ludwigsburg auch in der Phase des Abtauchens immer wieder Besuche stattgefunden hätten. „Das ist schon bemerkenswert“.

Im Anschluss präsentierte Drexler eine Landkarte, auf der mit Fähnchen zahlreiche rechtsextreme Bezugspunkte in Nordwürttemberg mit dem Schwerpunkt Heilbronn markiert sind. Kühn zeigte sich von der Ausarbeitung beeindruckt und führte die unterschiedliche Herangehensweise des BKA aus. Er verwies außerdem auf Fotos aus den Asservaten, die Mundlos und Böhnhardt in Stuttgart aufgenommen hätten. Vier Stunden nach der Aufnahme solcher Fotos sei ein weiteres Foto gemacht worden, auf dem Zschäpe mit abgebildet gewesen sei. Daraufhin hätten ihnen Kollegen vom LKA einen Hinweis auf einen bekannten Rechtsextremen gegeben, der damals in der Nähe der Örtlichkeit in Stuttgart gewohnt habe. So sei die These aufgekommen, dass das Trio möglicherweise bei dieser Person Unterschlupf gefunden habe. Das wäre hochspannend, weil man bisher keine Beleg dafür habe, dass Zschäpe bei Ausspähungen dabei gewesen sei. Es habe sich dann aber herausgestellt, dass die Aufnahme von Zschäpe in Zwickau gemacht worden sei.

Es ging dann um mögliche weitere Anschlagsziele des NSU. Laut eines Vermerks des BKA vom 12.6.2012 sei in einem Stuttgarter Stadtplan bspw. der türkische Kulturverein markiert. Kühn führte aus, das sei einer der Schwerpunkte der ersten Zeit der BAO Trio gewesen. Auch aus der Sicht einer möglichen Gefährdung durch weitere NSU-Mitglieder habe man die gefundenen Stadtpläne und Listen umfassend ausgewertet und habe sich auch Örtlichkeiten angesehen.
Die 10.000er-Liste habe man den Ländern zur Verfügung gestellt, teilweise habe man auch selber Hinweise verfolgt.

Dann ging es um einen Vermerk vom 30.11.2011 über den im NSU-Unterschlupf in Zwickau gefundenen, zwischen 2003 und 2005 gedruckten ADAC-Cityplan von Stuttgart mit fünf Markierungen. Kühn erwähnte diesbezüglich, dass man die Markierungen auch unter dem Gesichtspunkt betrachtet habe, ob es dort bekannte Rechte gegeben habe. In Dortmund habe in der Nähe des NSU-Tatorts in der Mallinckrodtstraße ein sehr bekannter Rechter aus Dortmund gewohnt. Zu den Markierungen hätten sie die Überzeugung, dass die beiden Uwes einen Großteil ihrer Freizeit darauf verwandt hätten, bundesweit zur Zielauswahl herumzufahren und mehr oder weniger wahllos nach Anschlagsgelegenheiten zu schauen. Kühn erwähnte, seiner Meinung nach hätten die Uwes über die Ausspähungsfahrten und die Markierungen eine Vorauswahl getroffen, die Tatbegehung sei dann aber immer vom Einzelfall abhängig gewesen.
Warum so intensiv nach möglichen weiteren Raubüberfällen des NSU in Baden-Württemberg gesucht worden sei, könne er nicht sagen, erklärte Kühn weiter.
Zum Verbleib einer bei der Tat in Heilbronn 2007 entwendeten Taschenlampe der Bereitschaftspolizei Böblingen sagte Kühn, da habe sich nichts ergeben und die Gegenstände seien noch in der Sachfahndung drin.

Auf Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Filius führte Kühn aus, in den ersten Monaten habe man in der ersten Phase der Ermittlungen täglich alle Ermittlungsabschnitte über eine Telefonschalte zusammengeschaltet. In der Anfangszeit habe man auch jeden Tag eine Lagemeldung geschrieben und an alle Abschnitte verteilt. Darüberhinaus habe man einmal in der Woche eine Einsatzlagebesprechung mit den Abschnittsleitern in Meckenheim durchgeführt, bei der auch ein Vertreter der Bundesanwaltschaft dabei gewesen sei. Der Informationsfluss sei also in alle Richtungen gewährleistet gewesen.

Zur im Januar 1998 gefundenen „Garagenliste“ sagte Kühn, diese Liste sei relativ früh aufgetaucht im Rahmen der Asservatenauswertung. Über 50 Polizeibeamte seien nur mit der Asservatenauswertung beschäftigt gewesen. Die Liste sei ein wichtiges, „ganz zentrales“ Asservat gewesen und sei dann an alle betroffenen Bundesländer gegangen. Es habe bei der Weitergabe der Liste an den RegEA Baden-Württemberg keine Zeitverzögerung gegeben.
Filius merkte dazu dann, nach seinen Kenntnissen sei die Bekanntgabe der Liste erst Ende Mai 2012 erfolgt, also ein halbes Jahr nach dem Auffliegen des NSU. „Würde mich mal interessieren, was das für Kenntnisse sind, was sie da zitieren“, war Kühns Antwort. Alle Abschnitte hätten sehr schnell Kenntnis von der Liste gehabt. Filius verwies dann als Quelle für seine Behauptung auf den Abschlussbericht des ersten NSU-UA in Baden-Württemberg.

Es ging dann um den Komplex Florian Heilig und den Umgang damit. Solche kleineren Ermittlungen würden über den kleinen Dienstweg laufen. Als diese Spur aufgetaucht sei, habe man sich mit den Kollegen in Baden-Württemberg sehr intensiv ausgetauscht. Heilig sei ein Hinweisgeber gewesen bzw. es habe eine Hinweisgeberin gegeben, die gesagt habe, Heilig habe bestimmte Aussagen getroffen. Dem sei man dann im Rahmen der Hinweisbearbeitung nachgegangen. Die Frau sei vernommen worden und es habe dann einen formalen Abschluss gegeben, dass der Hinweis abgeschlossen sei und die Ermittlungen nicht weiterbringe. Die EG Umfeld habe dann diesen Hinweis aufgegriffen und Interesse an dem Hinweis auf eine „Neoschutzstaffel“ (NSS) gehabt. Das sei ein klassisches Thema für die „Überhänge“.

„Ich denke nicht, dass Heilbronn heraussticht“, führte Kühn dann weiter aus. Man müsse der EG Umfeld großen Respekt zollen, dass sie sehr gut aufgeklärt habe. Einen Szene-Schwerpunkt in Heilbronn habe man nicht erkennen können. Auch in NRW sei man auf sehr viele Rechte gestoßen und habe da tief reingeschaut. Im Bezug auf den Anschlag in Köln mit der „Bombe in der Keksdose“ falle es ihm beispielsweise schwer, sich vorzustellen, wie der NSU in Chemnitz an den Zeitungsabschnitt aus dem „Kölner Stadtanzeiger“ über den Anschlag gekommen sei.

Im Folgenden ging es weiter um die Ermittlungen und die Ermittlungsstrukturen. „Ich bin überzeugt davon, dass das die richtige Struktur ist“, sagte Kühn. Dieses Konstrukt wie bei der BAO Trio bringe man beim BKA ständig zum Einsatz, aktuell z.B. auch beim Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Für zukünftige BAOs wolle man ein gemeinsames Datenmanagement berücksichtigen, aber die Einbindung der Länder über die regionalen Abschnitte habe sich in seinen Augen bewährt. „Ich würde das wieder so machen“. Filius entgegnete, die vorhin beschriebene Form der Aktenanforderung sei „ermittlungstechnisch mehr als hinderlich“, er glaube schon, dass man da noch nachsteuern müsse. Kühn erwiderte, dass man die „Überhänge“ und die Arbeit des regionalen Ermittlungsabschnitts in der BAO auseinanderhalten müsse, in der BAO habe Baden-Württemberg natürlich nicht schriftlich um Akten anfragen müssen.

Drexler mischte sich wieder ein und bezeichnete die Vorgehensweise mit schriftlichen Anforderungen und rechtlichen Begründungen für den Informationsfluss vom BKA ans Land als „etwas obskur“ und „aberwitzig“. Kühn verwies weiter auf die „Überhang-Debatte“, wo diese Vorgehensweise eine Rolle gespielt habe und auf den Datenschutz: „Polizeien können nun mal ohne Rechtsgrundlage keine Informationen austauschen“. Der GBA habe für die Aktenfreigabe an die EG Umfeld eine Rechtsgrundlage gebraucht.

Der CDU-Abgeordnete von Eyb stellte dann völlig unvermittelt die Frage, ob Kühn der Name Andreas Graupner etwas sage. Kühn antwortete, das sei eine wichtige Spur gewesen, die man in der BAO auch abgearbeitet habe. Es gebe auf Grund des Wohnortes von Graupner einen durchaus konstruierbaren Bezug zum Anschlag in Heilbronn. Graupner sei außerdem aufgetaucht durch eine Aussage, aus der man schließen müsse, dass er vielleicht das Trio auch kannte und Insiderinformationen gehabt habe. Er sei eine „sehr interessante Person“ und ein „bekannter Rechter“ und er sei mehrfach vernommen wurden. Kühn erwähnte die Band „Noie Werte“ und die Lieder der Band im nichtveröffentlichten NSU-Video. „Wir haben an der Person sehr viel gemacht“. Er sei aber nicht Beschuldigter geworden, man habe also keine Tatbeteiligung nachweisen können.

Zur Frage nach einer möglicherweise notwendigen Verbesserung der technischen Ausstattung sagte Kühn, ein Problem seien die Inkompatibilitäten von Systemen und Programmen beim BKA und den Ländern. Derzeit versuche man eine oberflächenlose Verbunddatei zu schaffen als Schnittstelle zum Informationsaustausch. Es sei viel in Bewegung. Kühn verwies auf den „Polizeilichen Informations- und Analyseverbund“ (PIAV).

Die AfD-Abgeordnete Baum wollte wissen, welche Kriterien erfüllt sein müssten, dass man Personen ins „rechte Spektrum“ einordnen könne. Kühn entgegnete, der Status der Personen „ob rechts oder nicht rechts“ habe bei den Ermittlungen des BKA keine Rolle gespielt, er könne insofern auch keine Definition bieten.

Schließlich ging es auch bei den Fragen des SPD-Abgeordneten Weirauch um die Ermittlungsstrukturen und warum diese „vertikale Struktur“ der BAO mit den RegEA schon nach einem Jahr abgeschaltet worden sei. Kühn sagte, der RegEA sei bereits nach einem fünf Monaten im Einvernehmen abgeschaltet worden. Die Federführung der Ermittlungen sei zentralisiert worden. Vielen sei das nicht schnell genug gegangen, schon nach wenigen Wochen seien die ersten Referatsleiter auf der Matte gestanden, die ihre Leute zurückhaben wollten.
Man habe große Abwehrschlachten geführt, um die Leute bei sich zu halten. Man habe es aber auch geschafft, Leute bis heute zusammenzuhalten, die sich jetzt fünf Jahre damit beschäftigen würden. Baden-Württemberg habe selbst dafür geworben, den RegEA aufzulösen, in NRW sei der RegEA nach einem Monat aufgelöst worden.
Kühn sagte weiter, er halte die Auflösung des RegEA nach fünf Monaten für „absolut richtig“: „Es kam einfach nichts mehr aus dem RegEA, es gab nichts mehr zu berichten“. Als ein Beispiel für die „Überhänge“ nannte Kühn „Blood & Honour“. Insgesamt sei die Zusammenarbeit der Behörden in dem Fall gut gewesen.

Der FDP-Abgeordnete Weinmann fragte nach straffälligen Neonazis und Ku-Klux-Klan-Mitgliedern, die sich der freiwilligen Befragung der EG Umfeld nicht gestellt hatten oder nicht erreicht werden konnten. Kühn meinte dazu, dass BKA habe kein Interesse daran gehabt, die Personen unter Androhung von Zwangsmitteln zu vernehmen.

Weinmann erwähnte dann das Ergebnis einer kleinen Bundestagsanfrage aus dem Dezember 2016, wonach 600 straffällige Neonazis mit Haftbefehl gesucht werden. Er erkundigte sich nach Überlegungen seitens des BKA, ob diese Rechtsextremen ähnlich wie der NSU in den Untergrund abgetaucht sein könnten. Kühn antwortete, die Sorge sei dagewesen und deshalb habe man dies im Rahmen der BAR-Struktur als Dauerthema behandelt. Er selbst habe das aber nur am Rande mitbekommen, dafür gebe es eine eigene Zuständigkeit.

Zur 2012 eingesetzten Rechtsextremismus-Datei verwies Kühn auf das Bundesreferat und technisch-rechtliche Fragen. Unter anderem habe es Überprüfungen durch den Beauftragten für Datenschutz gegeben, dessen Anmerkungen auch für Nachbesserungen gesorgt hätten. Kühn führte weiter aus, sie hätten ihre betroffenen Personen in die Datei eingestellt, aber damit ende auch ihre Zuständigkeit. Er halte die Einführung der Datei aus polizeilicher Sicht für eine gute Sache, auch wenn er selbst damit bisher keine Erfahrungen gemacht habe.

Drexler fragte dann wieder zu der vom Ausschuss erstellten Karte mit markierten Rechtsextremisten im Raum Nordwürttemberg/Heilbronn, dem Zusammenhang zu einem möglichen Unterstützernetz und den im BKA dazu erfolgten Maßnahmen. Kühn erwiderte, dass das BKA auch heute noch gegen unbekannte Unterstützer weiter ermittle, auch wenn es bis heute keine Hinweise auf ein Unterstützernetzwerk gebe, das konkret bei den Tatausführungen einen Beitrag hatte – „außer denen, die auch auf der Anklagebank sitzen“. Wenn man sich nicht auf Baden-Württemberg beschränke und auch die Szenen in den anderen Bundesländern anschaue, komme man wahrscheinlich an jedem Tatort auf irgendwelche regionalen Bezüge. Zur Tatausführung seien nach Ansicht des BKA keine weiteren Personen erforderlich gewesen und es sei davon auszugehen, dass man nicht das Risiko ausgehen wollte, weitere Mitwisser zu generieren.

Drexler fragte anschließend zum Passus „Verfahrensakte“ bei den Übergabevereinbarungen vom 26.4.2011. Dabei ging es um den formalen Sprachgebrauch und die Erklärung von Bezeichnungen wie „Ermittlungsakten“, „Hinweisakten“, „Fahndungsakten“ und „Beiakten“. Drexler wollte konkret wissen, wo der Ausschuss in den Akten der BAO Trio suchen müsste. Kühn antwortete unter anderem, dass die BAO-Akten nicht nach regionalen Schwerpunkten aufgebaut seien und es nicht „den Komplex Bundesland X“ gebe. Zur Einschätzung von Nebenklägern im Münchner NSU-Prozess, dass die BAO-Akten bzgl. eventueller Unterstützer gemessen an der Komplexität des Verfahrens eher schmal seien, sagte Kühn, schmal sei relativ. Auf der einen Seite gebe es das, was für die Anklage im Münchner OLG-Verfahren in den Aktenbestand gekommen sei. Im Verfahren gegen unbekannt habe man auf der anderen Seite mehrere Ermittlungskomplexe noch aufgearbeitet.

Die Grünen-Abgeordnete Bay fragte dann zum Thema Heilbronn und Leuten, die sich gerühmt hätten, sie wüssten über diesen Mord genau Bescheid. Außerdem habe es geheißen, es gebe in Heilbronn keine rechtsextreme Szene, was sich auf der Karte des Ausschusses jetzt aber anders darstelle. Sie wollte wissen, ob das BKA dazu eigene Ermittlungen aufgenommen habe. Kühn antwortete, sie hätten alle Altspuren noch einmal komplett resümiert. Das sei einer der Hauptaufträge an den RegEA BaWü gewesen. Darüberhinaus hätten sie auch später noch einmal selber alle Altspuren noch mal komplett untersucht. Dabei hätte sich aber nichts ergeben.

Anschließend wurde der leitende Kriminaldirektor im Ruhestand Karl-Heinz Ruff gehört. Er ist seit dem 31. August 2016 im Ruhestand. Davor war er von 2008 bis zum 31. Dezember 2013 Leiter des Staatsschutzes beim LKA Baden-Württemberg und vom 1. Januar 2014 bis zum 31. August 2016 Leiter der Kriminalpolizei beim Polizeipräsidium Karlsruhe.

Ruff gab zunächst ein Statement ab. Der Staatsschutz des LKA habe vom 17.11.2011 bis zum 3. August 2012 mit der der EG Rechts präventiv polizeiliche Ermittlungen zur Erhellung der rechten Szene und Verbindungen zu relevanten Gruppierungen durchgeführt. Davon explizit ausgenommen gewesen seien die Ermittlungen der BAO Trio und der zugeordneten regionalen Trägerabschnitte. Mit der schnellen Einrichtung der EG Rechts seien sie im vergleich mit anderen von NSU-Straftaten betroffenen Bundesländern sehr zeitnah und konsequent vorgegangen. Die Ermittlungsergebnisse seien permanent fortgeschrieben und der Amtsleitung beim LKA und dem Referat 32 beim Innenministerium übermittelt worden. Die Arbeitsaufteilung habe in einzelnen Fällen einer genauen Konkretisierung zwischen der BAO Trio, dem RegEA und der EG Rechts und später EG Umfeld bedurft.
Die EG Rechts sei durch die örtlichen Staatsschutzdezernate sowie durch die Bereitschaftspolizei unterstützt worden. Die Zusammenarbeit mit der BAO Trio habe sich angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen und des Vorbehaltes des Generalbundesanwalts bei der Herausgabe von Akten sehr zeitaufwendig gestaltet. Der GBA habe die Akten zum Teil mit etwas Zeitverzug freigegeben oder die Weitergabe durch das BKA in Einzelfällen im Hinblick auf den laufenden Prozess in München verweigert.
Durch Gespräche mit dem Abteilungsleiter des BKA im Januar 2013 und gemeinsame Besprechungen mit der BAO Trio habe das Verständnis beim BKA für die spezifischen Belange von Baden-Württemberg deutlich verbessert und die Zusammenarbeit institutionalisiert werden können. Am 16. Dezember sei das Gemeinsame Abwehrzentrum Rechts eröffnet worden und Baden-Württemberg sei vom ersten Tag beteiligt gewesen und habe insbesondere auf die inhaltliche Ausgestaltung der AG Fallanalyse wesentlich Einfluss nehmen können.

Die Zusammenarbeit mit dem LfV sei vorbildlich gewesen, führte Ruff weiter aus. Mit dem stellvertretenden Amtsleiter des LfV habe er schon kurz nach seiner Arbeitsaufnahme im Mai 2008 ein persönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut. Auf seine eigene Initiative hin sei am 6. Februar 2012 eine gemeinsame Informations- und Analysestelle von LKA und LfV nach dem Vorbild des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums eingerichtet worden.

Da die EG Rechts ausschließlich präventiv-polizeiliche Ermittlungen geführt habe, sei eine direkte Zusammenarbeit mit dem GBA nicht möglich gewesen. Die eingeschränkten Möglichkeiten des baden-württembergischen Polizeigesetztes – z.B. keine Aussage- bzw. Erscheinungspflicht von Zeugen oder die fehlende Möglichkeit Telefongespräche zu überwachen – hätten die Ermittlungen stark eingeschränkt. Das Generieren eines strafprozessualen Anfangsverdachtes sei dadurch erschwert gewesen.

Nach den Terroranschlägen in den USA vom 9. November 2001 habe das LKA eigene Ermittlungen im Bereich Rechtsextremismus aus Kapazitätsgründen zu Gunsten von Ermittlungen im Bereich Islamismus erheblich zurückgefahren. Im Laufe des Jahres 2008 seien auf seine Initiative hin wieder eigene Ermittlungen im Rechtsextremismus geführt worden. Bei der EG Rechts habe man auch auf Personal aus anderen Phänomenbereichen zurückgreifen und Auswerter aus dem Bereich Rechtsextremismus rekrutieren müssen. „In der Nachbetrachtung hat sich dies jedoch als nicht kritischer Erfolgsfaktor dargestellt“, fasste Ruff zusammen. Die Unterstützung durch die Amtsleitung und die sachlich Verantwortlichen im Innenministerium sei zu jeder Zeit vorhanden gewesen.

Die zahlreichen Berichtspflichten hätten jedoch enorme Ressourcen in Anspruch genommen. Das habe aber durch gute Motivation der Mitarbeiter und die Bereitschaft zur Mehrarbeit aufgefangen werden können. Spuren zum Tatkomplex Heilbronn seien durch die Soko Parkplatz bzw. den RegEA BaWü bearbeitet worden. Die Bearbeitung von Hinweisen mit PMK-Hintergrund, die nicht Bestandteil des GBA-Verfahrens waren, habe der EG Rechts oblegen. Durch die unterschiedliche Ansiedlung von Soko Parkplatz bzw. RegEA und der EG Rechts in den damaligen Abteilungen 4 und 5 des LKA habe keine Defizite erbracht, sondern sei geboten gewesen.

Am 3. August 2012 habe die EG Rechts ihre Arbeit beendet und die wenigen offenen Aufträge weitergegeben. Ruff äußerte, nach seiner Einschätzung handle es sich bei den noch nicht abschließend bearbeiteten Aufträgen um „keine mit hoher Priorität“. Der RegEA habe am 26. April 2012 die Verfahrensübernahme an das BKA einvernehmlich mit diesem verfügt. Über ausstehende Spurenbearbeitung aus diesem Komplex könne er nichts berichten, sagte Ruff.

Im Februar 2013 sei die EG Umfeld als Ermittlungskooperation zwischen den Abteilungen 4 und 5 des LKA unter Leitung der von ihm beauftragten Kriminalrätin Hißlinger gegründet worden. Der Abschlussbericht der EG Umfeld sei im Januar 2014 gefertigt worden und falle damit in die Zeit, in der er bereits Leiter der Kriminalpolizei in Karlsruhe gewesen sei.

Ruff zählte dann „wesentliche Ergebnisse“ auf, die sich bis zu seiner Versetzung nach Karlsruhe ergeben hätten: „Es gab Kontakte des Trios nach Baden-Württemberg. Personen des Trios hielten sich zeitweise zu Besuchen in Baden-Württemberg auf“. Ruff nannte eine Übernachtung auf einem Zeltplatz am Cannstatter Wasen in Stuttgart 2003, die zu einer Tatvorbereitung gedient haben könnte. Dies habe aber bisher nicht bewiesen werden können. „Alle bisherigen Ermittlungen haben keine Hinweise auf weitere Straftaten des Trios in Baden-Württemberg, auf Helfer, Unterstützer oder rechtsextreme Zellen in Baden-Württemberg ergeben“.

Bereits im Dezember 2011 habe das LKA dem Innenministerium eine Konzeption zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgelegt. Ruff zählte dann die Maßnahmen der Konzeption auf, darunter u.a. die gemeinsame Informations- und Analysestelle mit dem LfV, die Überprüfung des Waffenbesitzes aller Rechtsextremen, die Verstärkung von BIG REX und die Beobachtung rechtsextremer Aktivitäten im Internet.

In der anschließenden Befragung berichtete Ruff zunächst, wann er zum ersten Mal mit dem Thema NSU befasst gewesen sei. Er habe unmittelbar nach dem Auffliegen im November 2011 durch die Medien davon erfahren und es sei zeitnah in einer Telefonkonferenz des BKA mit dem LKA darüber gesprochen wurde.
Drexler fragte Ruff, wie vorbereitet er den Staatsschutz in Baden-Württemberg für die Aufdeckung und Verhütung rechtsterroristischen Straftaten vor und nach dem 4. November 2011 halte. Ruff antwortete: „Ich glaube, dass Baden-Württemberg im Konzert aller Landeskriminalämter eine führende Rolle in der bundesweiten Kommission Staatsschutz spielt. Wir haben auch zahlreiche Initiativen in die Kommission getragen. Ich persönlich hatte immer den Eindruck, dass die Meinung des LKA Baden-Württemberg in der bundesweiten Kommission gehört und als positiv empfunden wird.“

Zu Fragen bezüglich der Operativen Fallanalyse (OFA) und deren Erfahrungen im Bereich Rechtsextremismus konnte Ruff keine detaillierten Angaben machen. Drexler sprach in diesem Zusammenhang an, dass der erste NSU-Untersuchungsausschuss den Eindruck bekommen habe, dass die Staatsschützer bspw. in Heilbronn in unterschiedlichem Maße für das Thema sensibilisiert seien. Drexler erwähnte einen Staatsschützer der Polizeidirektion Heilbronn, der rechtsmotivierte Taten und Bilder vor einer Hakenkreuzfahne nur mit Alkoholismus in Verbindung brachte. Ruff entgegnete, zur Arbeit der Polizeidirektion Heilbronn könne er keine Auskunft geben. In seinem Zuständigkeitsbereich in Karlsruhe hätten sie das Thema Rechtsextremismus sehr ernst genommen, bspw. rechtsextreme Musikveranstaltungen im Bereich Rastatt. „Insofern waren die Kollegen dort entsprechend sensibilisiert“. Auf weitere Fragen zum Zustand des Staatsschutzes in Baden-Württemberg antwortete Ruff: „Sie zitieren jetzt einzelne Kollegen. Ich glaube nicht, dass man daraus auf den Staatschutz in Baden-Württemberg schließen kann.“
Die personelle Ausstattung der Polizei in diesem Bereich hätte besser sein sollen, ergänzte Ruff. Das sei auch eine Forderung von ihm gewesen, die aber nicht umgesetzt worden sei. Die Kapazitätsverschiebungen seines Vorgängers nach dem islamistischen Terroranschlag 2001 habe er allerdings durchaus verstehen können.

Anschließend ging es um den RegEA beim BKA, in den auch Beamte der Landespolizei und des LKA aus Baden-Württemberg abgeordnet waren. Dabei sei es aber laut Ruff eher um Kopierdienste etc. gegangen.
Zur Informationsweitergabe vom BKA ans LKA sagte Ruff, dass BKA habe nicht alle Erkenntnisse bzgl. Baden-Württemberg immer zeitnah weitergegeben habe. Z.B. seien Ermittlungsergebnisse des BKA zu den NSU-Kontakten in Ludwigsburg erst auf Nachfrage und verzögert zum LKA gelangt. „Man muss aber auch sehen, dass das BKA einen ganz anderen Auftrag hatte als die EG Rechts und man muss auch sehen, dass bereits 13 Monate nach dem Tatgeschehen in Thüringen der GBA eine Anklageschrift beim OLG München eingereicht hat und das ist ein komplexes, umfangreiches und schwieriges Verfahren gewesen.“ Das BKA und der GBA haben dabei auch Prioritäten setzen müssen. Man müsse da ein gewisses Verständnis für die ein oder andere Vorgehensweise des BKA aufbringen, führte Ruff weiter aus. Z.B. seien Leute inhaftiert gewesen und das BKA habe das Beschleunigungsgebot des Bundesverfassungsgerichtes beachten müssen.

Drexler fragte dann zur Zusammenarbeit des BKA mit der EG Umfeld und bezog sich auf eine Mail vom 12. Februar 2013 vom LKA ans Innenministerium Baden-Württemberg. In der Mail berichtete das LKA von der Zusammenarbeit zwischen BKA und EG Umfeld und einer Besprechung am 6. Februar 2013 zwischen BKA und LKA in Meckenheim über die zukünftige Zusammenarbeit, bei der auch Ruff anwesend war.
Dazu sagte Ruff, im Herbst 2012 und Januar 2013 habe es vermehrt Presseberichterstattung aus der Arbeit des Bundestags-Untersuchungsausschusses zu Verbindungen des NSU nach Baden-Württemberg gegeben. Das sei für das LKA ein Anlass gewesen, intensivere Zusammenarbeit mit dem BKA einzufordern. Die Besprechung am 6. Februar 2013 habe dann als Ergebnis eines Telefonats mit dem BKA und eines Schreibens des LKA-Präsidenten ans BKA statt gefunden. Bei der Besprechung habe man ein Einvernehmen erzielt und bereits am Nachmittag habe eine erste Akteneinsicht durch Frau Hißlinger beim BKA statt gefunden. Solche Vor-Ort-Termine hätten dann mehrfach statt gefunden und nach Freigabe durch den GBA hätte das LKA auch bestimmte Akten erhalten.
Es sei die grundsätzliche Ausrichtung des BKA gewesen, dass Vorermittlungen in den Ländern geführt werden sollten und das sei auch die Reaktion des LKA mit der Einsetzung der EG Umfeld gewesen. Ohne diese Unterstützung durch die Länder hätte das BKA die Ermittlungen in mehreren Bundesländern vermutlich nicht so führen können, ergänzte Ruff.

Es ging dann um eine förmliche Vereinbarung zwischen LKA und BKA vom 26. April 2012 über den Informationsfluss zwischen den Behörden. Ruff erklärte, aus der Tatsache, dass eine solche Vereinbarung schriftlich-förmlich festgehalten wurde, könne man nicht den Schluss ziehen, dass es da „gehakt“ hätte. Drexler zitierte anschließend aus der Mail vom 12. Februar 2013 vom LKA ans Innenministerium mit einem Bericht über die Besprechung zur Zusammenarbeit zwischen BKA und LKA am 6. Februar 2013. Nach der förmlichen Vereinbarung hieß es u.a.: „Dem LKA wird durch das BKA nach Rücksprache mit dem GBA Akteneinsicht in Baden-Württemberg betreffende Aktenteile beim BKA gewährt. Aktenanforderungen bedürfen weiterhin der schriftlichen und rechtlichen Begründung.“ Ruff sagte dazu, das BKA habe –für ihn nachvollziehbar– wissen wollen, warum das LKA bestimmte Vernehmungen einsehen wollte und bestimmte Akten in Kopie erhalten sollte. Das BKA habe im Auftrag des GBA gehandelt und eine Staatsanwaltschaft werde einer anderen Behörde oder Außenstehenden Akteneinsicht nur auf Antrag nach Prüfung gewähren. „Das ist aus meiner Sicht gängige staatsanwaltschaftliche Praxis“, erwiderte Ruff auf die Frage von Drexler hin, ob das nicht ein bürokratischer Aufwand sei. Akteneinsichtsanfragen seitens des LKA seien nicht nur schriftlich, sondern teilweise auch telefonisch beim BKA gestellt worden, ergänzte Ruff.

Thema war dann ein Antwortschreiben des LfV Baden-Württemberg an das BfV vom 5. März 2012. Darin teilte das LfV im Bezug auf die Tat 2007 mit, dass in Heilbronn zum Tatzeitpunkt keine signifikante rechtsextremistische Szene existierte.
Ruff führte dazu aus, Schwerpunktbereiche rechtsextremer Aktivitäten und Straftaten seien damals der Rems-Murr-Kreis aber auch der Landkreis Göppingen gewesen. Ruff erwähnte in diesem Kontext das durch seine Behörde initiierte Verfahren gegen bzw. das spätere Verbot der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ (AN Göppingen). Die Frage, ob er ab 2008 wie das LfV und der Heilbronner Staatsschutz davon ausgegangen sei, dass in Heilbronn keine rechtsextremistische Szene existiere, beantwortete Ruff knapp: „Nein“.

Es ging dann um einen Vermerk des BKA vom 12. Juni 2012 über die Auswertung der im NSU-Unterschlupf in Zwickau gefundenen Karten, Listen und Fotografien – u.a. von Stuttgart, Ludwigsburg und Heilbronn. Ruff erwähnte zunächst die Aufnahme von Beate Zschäpe vor dem „Blühenden Barock“ in Ludwigsburg. Dort sei Zschäpe mit einer „Jugendfreundin aus den neuen Bundesländern“ zu Besuch gewesen, wie die EG Rechts herausgefunden habe.

Zu Bildern aus der Nordbahnhofstraße in Stuttgart erwähnte Ruff die Überprüfung aller Campingplätze in Baden-Württemberg mit Meldedaten von 1998 bis 2011 und der Abgleichung mit einer Liste von Alias-Personalien des NSU-Trios („Camping-Programm“). In Baden-Württemberg habe es zwei Treffer gegeben. Zum einen eine Übernachtung mit der Alias-Personalie B. am Cannstatter Wasen. Zum anderen einen Treffer für den „richtigen B.“, der mit seiner Frau und einem Kleinkind auf einem Camping-Platz in Rheinmünster-Söllingen in Rastatt übernachtet habe.
Im Bereich des Nordbahnhofs in Stuttgart habe man sämtliche Anwohner und Geschäftsinhaber zum fraglichen Zeitpunkt (2003) ermittelt und befragt. Keiner habe von einer Ausspähung oder einer Bedrohung berichten können.

Es ging außerdem um einen mit Markierungen versehenen ADAC-City-Stadtplan von Stuttgart aus dem Zwickauer NSU-Unterschlupf. Dort sind fünf Punkte durch Kreuze markiert, die teilweise als Parteibüros der CDU und der SPD identifiziert wurden. Laut LKA Baden-Württemberg soll dieser Stadtplan von 2003 bis 2005 gedruckt worden sein. Auch dazu habe das LKA ermittelt, erklärte Ruff – ebenso wie zur sogenannten „10.000er Liste“. Auf dieser seien viele Mandatsträger gestanden, aber auch Asylbewerberunterkünfte, Waffengeschäfte und andere Objekte.

Ein weiteres Thema war der legale Waffenbesitz von Rechtsextremen in Baden-Württemberg. Ruff sagte, man habe aus den Dateien 3000 Personen aus dem rechtsextremen Milieu generiert und zusätzlich die eigene Liste mit der Liste des LfV abgeglichen. So sei man auf einen Personenbestand von 3600 Personen mit Wohnsitz in Baden-Württemberg gekommen, denen man die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene nachweisen konnte. Diese 3600 Personen seien den Waffenbehörden bei den Stadtverwaltungen und Landratsämtern zugegangen und dort hätten dann weitere Überprüfungen stattgefunden. Letztlich hätten die Behörden die Waffenbesitzer aufgesucht und hätten die Verwahrung der Waffen vor Ort überprüft. „Das Ergebnis war aus meiner Sicht auf der einen Seite positiv, weil es ganz wenige Beanstandungen gegeben hat. Auf der anderen Seite war es negativ für mich, weil es die These „Rechtsextreme mit Waffenbesitz gleich gewalttätig“ nicht richtig bestätigt hat.“
Im Ergebnis sei keine Waffe eingezogen worden.
Der Grünen-Abgeordnete Filius ließ sich im Anschluss von Ruff das Hinweis-System „Business Keeper Monitoring System“ (BKMS) erklären, womit Bürger*innen der Polizei anonym Informationen mitteilen können. Auf Betreiben des LKA werde das BKMS auch im Bereich Rechtsextremismus eingesetzt, erklärte Ruff. Zu seiner Zeit beim LKA habe es wöchentlich 5-10 ganz unterschiedliche Hinweise gegeben.

Filius fragte dann zu Anfragen des LKA, die vom BKA abgelehnt worden seien. Ruff sagte dazu, man versuche in diesen Fällen, mit dem was man habe weiterzukommen oder es zeitlich nach hinten zu schieben. Die Verweigerung des GBA sei meist mit dem Hinweis auf die bevorstehende Anklageerhebung im NSU-Prozess erfolgt.
Zur These von Filius, damit seien den Behörden „Steine in den Weg“ gelegt worden, äußerte Ruff, es sei bspw. auch im Bereich Organisierte Kriminalität in manchen Fällen üblich, dass eine örtliche Dienstelle gar nichts von einem Verfahren erfahren darf, dass das LKA betreibe. Um die Verfahren nicht zu gefährden, sei es durchaus in konkreten Einzelfällen üblich, bestimmte Dinge nicht weiterzuverbreiten – auch nicht unter den Behörden.

Zur 1998 gefundenen Garagenliste sagte Ruff, diese habe er erst 14 Jahre später im Jahr 2012 bekommen. Filius bezeichnete das als „Unding“: „Da klemmt `s doch!“. Ruff entgegnete, wenn er von einer Information keine Kenntnis habe, könne er die auch nicht einfordern. Wenn man von der Liste früher gewusst hätte, hätte das die Arbeit sehr erleichtert.

Der CDU-Abgeordnete von Eyb erkundigte sich nach den von Ruff erwähnten umfangreichen Berichtspflichten. Ruff sagte dazu, zum einen handle es sich nicht nur um eine strafrechtliche sondern auch eine höchst politische Angelegenheit. Dass das Innenministerium dann entsprechend unterrichtet werden müsse, sei für ihn nachvollziehbar.
Auf der anderen Seite seien die wöchentlichen Berichtspflichten aus der EG über die Abteilungsleitung zum LKA und von dort zum Innenministerium und wieder zurück schon so „dass da manchmal ein Mitarbeiter einen Tag nur dafür aufwenden musste, um die Fortschreibung zu machen“. Aus einer Ermittlersicht, hätte er den gerne bei den Ermittlungen gesehen, aber er habe für beide Seiten Verständnis, ergänzte Ruff.

Zur Diskrepanz der Listen des LKA und des LfV mit den Personen aus der rechtsextremen Szene für den Abgleich mit den Waffenbesitzkarten sagte Ruff, das LfV habe zu den 3000 Personen noch mal zusätzlich 600 Personen gemeldet.
Zu Verbesserungsvorschlägen zur Arbeit der Behörden sagte Ruff, mit den neuen 12 Regionalpräsidien seien die Staatsschutzdezernate so stark aufgestellt, dass sie ihren Aufgabenbereich gut abdecken könnten. Das seien auch seine persönlichen Erfahrungen aus seiner Arbeit in Karlsruhe. Vor der Polizeireform sei die Personalsituation vielerorts schwierig gewesen.

Der SPD-Abgeordnete Weirauch fragte zur Arbeit der bundesweiten AG Fallanalyse. Man habe mit Wissenschaftlern zusammen ein Raster erarbeitet und Fälle der sogenannten „Jansen-Liste“ herausgesucht, führte Ruff dazu aus.
Wieviele der 3600 abgeglichenen Rechtsextremen tatsächlich im Besitz von Waffen waren, konnte Ruff nicht sagen. Im Ergebnis hätten die Überprüfungen „zu keinem nennenswerten Ergebnis“ geführt. Weirauch versuchte zu erfragen, ob für die Einschätzung der „Zuverlässigkeit“ der Waffenbesitzer nur die Aufbewahrung der Waffen oder auch die rechtsextreme Gesinnung der Personen in Betracht komme. „Das wird an gesonderter Stelle zu klären sein“, kündigte Weirauch an.

Auf Nachfrage des FDP-Abgeordneten Weinmann führte Ruff zur Arbeit von BIG REX aus, diese Beratungsgruppe sei noch beim Staatsschutz des LKA angesiedelt. „Da gibt es demnächst Veränderungen“, sagte Ruff. Dort würden erfahrene Kriminalbeamte unterstützt von Kolleg*innen der Bereitschaftspolizei arbeiten und einen ausgewählten Personenkreis aus der rechtsextremen Szene gezielt ansprechen, um einen Ausstieg aus dem Rechtsextremismus zu befördern. Da der Ansatz einem „Peer-to-peer“-Ansatz folge, würden dort auch junge Kolleg*innen eingesetzt. „Sie können nicht als 55-Jähriger erfolgreich mit einem 18- oder 19-Jährigen in Kontakt treten, da gibt es eine gewisse Distanz“. In einigen Fällen hätten die Kolleg*innen Erfolg gehabt, so Ruff. Da würde auch ein Stück weit Sozialarbeit geleistet, in dem man Anti-Aggressionstrainings vermittle, Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufnehme, Gespräche mit den Eltern oder der Partnerin führe. Oftmals seien die Partnerinnen der Rechtsextremen der entscheidende Schlüssel für den Ausstieg gewesen.

Weinmann wollte dann zu den EG Umfeld-Ermittlungen wissen, ob Maßnahmen ergriffen wurden, um derer Personen habhaft zu werden, die sich den freiwilligen Befragungen durch die EG entzogen hatten oder nicht angetroffen werden konnten.
Ruff erklärte dazu, es habe ein Programm gegeben um zu schauen, welche der 3600 Personen noch in Baden-Württemberg leben würden und dann habe es einen Abgleich der Wohnadressen und vor Ort Ermittlungen durch den jeweiligen Staatsschutz gegeben. Auf Bundesebene habe man angeregt, ob man nicht den Wegzug von Rechtsextremen auf eine institutionelle Basis stellen könnte – dazu hätten sich aber die anderen Bundesländer nicht bereit erklärt.

Weinmann verwies außerdem auf eine kleine Bundestagsanfrage aus dem Dezember 2016, laut der ca. 600 Haftbefehle gegen Neonazis bundesweit und 40 Haftbefehle in Baden-Württemberg offen seien. Er wollte von Ruff wissen, wie vorgegangen werde angesichts der Sorge, dass sich eine Gruppe im Untergrund bewegen und ähnlich wie der NSU agieren könnte. Ruff entgegnete, sie hätten dazu ein Maßnahmenpaket in Baden-Württemberg durchgeführt. Letztendlich seien seiner Erinnerung nach fünf Haftbefehle übrig geblieben. Die fünf Personen hätten sich im Ausland aufgehalten, von zwei Personen habe man gewusst, dass sie sich in Kenia bzw. in Thailand aufhalten. Bei dem sich in Thailand aufhaltenden Mann habe nicht nur eine rechtsextreme Straftat in Baden-Württemberg, sondern auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgelegen. Das Erfordernis eines internationalen Haftbefehls habe man nicht gesehen.
Bezüglich der Ermittlungen zum NSU-Bezug von Ku-Klux-Klan-Strukturen verwies Ruff auf Frau Hißlinger, die sich damit intensiv befasst habe.

Die Grünen-Abgeordnete Häffner griff wieder die Zusammenarbeit des LKA mit dem BKA auf. Ruff äußerte, das LKA habe zwar Zugriff auf die gemeinsame Ermittlungsdatei Staatschutz des BKA gehabt, aber dort seien nur Fundstellen enthalten. Es sei eine sogenannte Index-Datei. Ansprechpartner beim BKA seien der dortige Abteilungsleiter und der Leiter des Bereichs Rechts/Linksterrorismus gewesen. Innerhalb der EG Umfeld habe man regionale Komplexe gebildet (z.B. Heilbronn, Ludwigsburg, Ku Klux Klan) und die örtliche Expertise der Polizeidirektionen miteinbezogen. Es habe Ermittlungsteams von zwei bis sechs Personen gegeben. Diese hätten sich dann an das BKA gewandt, wenn sie das Erfordernis gesehen hätten, sagte Ruff. Wie die Akteneinsicht beim BKA statt gefunden habe, könne er nicht berichten, da er nicht dabei gewesen sei.
Auf Sachbearbeiterebene habe es einen regen Austausch mit dem BKA gegeben. Mit dem Ku Klux Klan habe sich aber bspw. das BKA überhaupt nicht befasst, da hätte es keinen Sinn gemacht, in „irgendwelche Gespräche“ zu treten, führte Ruff aus. Er selbst sei an den Führungsinformationen der EG Rechts und an den Zwischenberichten der EG Umfeld beteiligt gewesen. Auf Besprechungen innerhalb der Abteilung Staatsschutz sei er außerdem von Frau Hißlinger immer wieder mündlich gebrieft worden. Außerdem habe er anfangs versucht, regelmäßig an Besprechungen der EG Rechts und der EG Umfeld „als Gast“ teil zu nehmen. „Das habe ich aber auf die Dauer nicht durchgehalten“. Er habe das in seinem Berufsleben immer so gehandhabt, dass er dort, wo er den Eindruck hatte, dass Dinge funktionieren, die Mitarbeiter ihre Arbeit machen ließ. Zur Kommunikation mit den örtlichen Staatschutzdezernaten sagte Ruff, Staatschützer aus Schwäbisch Hall und aus Heilbronn seien über Wochen Mitglied in der EG Umfeld gewesen.

Auf eine Frage des Grünen-Abgeordneten Salomon zum Rechtsextremisten Steffen J. verwies Ruff wieder auf Frau Hißlinger. Der Name sei ihm bekannt. Zur „Tammer Szene“, der J. angehörte, sagte Ruff, dort habe man sehr umfangreich ermittelt, z.B. zur Gaststätte „Oase“. Bezüge der „Tammer Szene“ zur Rotlichtszene seien ihm nicht bekannt. Auch zu den Bezügen von Hans-Joachim S. zu Steffen J. konnte Ruff nichts sagen.

Der nächste Zeuge Michael A. vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wurde vom Ausschuss aus „Geheimdienstschutzgründen“ zunächst in einem separaten Raum vernommen, so dass die Zuhörerinnen und Zuhörer im Plenarsaal nur seine Stimme hören konnten.
A. war in Begleitung eines Rechtsanwalts und eines Vertreters des BfV erschienen. Er erklärte zunächst, das BfV habe nach dem Auffliegen des NSU sehr zeitnah eine Lageorientierte Sonderkonzeption (LOS) eingerichtet und sich sehr eng mit den anderen Bundes- und Landesbehörden zusammengesetzt. Bereits Mitte Dezember 2011 seien erste Konsequenzen gezogen worden, indem ein Gemeinsames Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR) eingerichtet wurde, das seitdem aktiv sei. Bis heute arbeite das BfV sehr eng und vertrauensvoll mit den Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg, dem LKA und dem LfV, zusammen.

Er selbst sei nach dem Ausbrennen des Wohnmobils in Eisenach und der anschließenden „Medienlage“ in der Auswertung tätig gewesen, „diese Sachverhalte aufzuklären“. Die Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg sei sehr gut gewesen. Im Rahmen der LOS habe es keinen Verbindungsbeamten in Baden-Württemberg gehabt, aber das LKA und das LfV Baden-Württemberg seien bezüglich der Teilnahme am GAR „vorbildhaft“.
Die LOS habe Unterarbeitsteams gebildet z.B. zu den einzelnen NSU-Anschlagsorten.

Auf eine Frage von Drexler zur Rolle von Quellen des BfV antwortete A.: „Jetzt würde ich bitten, das kann ich jetzt nicht beantworten“.

Eine Frage zur möglichen Anwesenheit von Geheimdiensten am Heilbronner Tatort und insbesondere zu einem Sprechzettel des BfV vom 7. September 2012 bei einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag am 21. September 2012 konterte A.: „Der Vorgang, den sie ansprechen, ist VS-NfD eingestuft. Ich möchte die Frage aber trotzdem beantworten. Das steht ja auch in den Unterlagen drin. Es liegen keine Erkenntnisse über die Präsenz von US-Diensten an dem Mordtag vor“.
Er selbst habe dazu keine Ermittlungen durchgeführt und keine weiteren Erkenntnisse. Auf Fragen von Drexler zum Islamisten Mevlüt K. und dessen Kontakten antwortete A., er arbeite im Bereich Rechtsextremismus und sei über die Verflechtungen von Islamisten in Baden-Württemberg nicht in der Tiefe informiert.

Drexler fragte dann zu einer Stellungnahme des LfV vom 5. März 2012, wonach in Heilbronn zum Tatzeitpunkt keine signifikante rechtsextremistische Szene vorhanden war. A. äußerte, der Vermerk zur Szene in Heilbronn sei „mindestens VS-Vertraulich“ eingestuft und er würde dazu gerne in einem „entsprechenden Rahmen“ etwas sagen können. Ab einer gewissen Einwohnerzahl gebe es in vielen Orten Deutschlands Rechtsextremisten, so auch in Heilbronn. Heilbronn sei aber nicht einer der Hotspots der rechtsextremistischen Szene gewesen und sei das auch aktuell nicht, führte A. aus. Das sei die Einschätzung des BfV zur Szene in Heilbronn.

Als ihm der Ausschuss die erstellte Karte mit markierten Rechtsextremisten im Bereich Heilbronn zeigte, reagierte A. mit Gegenfragen an Drexler: „Sind das Einzelpersonen? Sind das Funktionäre? Sind das Straftäter? Wie sind die vernetzt miteinander“. Er könne jetzt nicht beantworten, wie die einzelnen Neonazis zusammenhängen würden, legte A. dar. Er könne in der eingestuften Sitzung gerne mehr dazu erzählen. Drexler akzeptierte das ohne weiteres Nachhaken.

Zu einem Vermerk des BfV vom 24. Juli 2003 mit einer Email des Fanzines „Der Weisse Wolf“, in dem 2002 dem NSU gedankt wurde, sagte A., dabei sei es um eine Art Newsletter gegangen. Ergänzend zur Zeitung „Der Weisse Wolf“ sei ein Newsletter herausgekommen und da sei auch eine Kundgebung in Baden-Württemberg erwähnt worden. Drexler ergänzte, dass es sich dabei um einen Hinweis auf eine rechte Doppel-Demonstration am 12. Juli 2003 in Schwäbisch Hall und Heilbronn gehandelt habe. Diese Aufmärsche hätten kurz nach dem Aufenthalt von Mundlos und Böhnhardt im Juni 2003 in Bad Cannstatt statt gefunden. A. erklärte, er habe sich den Newsletter und den Hinweis auf die Demonstration noch einmal durchgelesen: „Man konnte nicht erkennen, dass eine durchgeführte Demonstration, die ihm Newsletter erwähnt ist wie viele Aktivitäten von Rechtsextremisten, dass wir hier einen Bezug klar erkennen konnten zum Trio“.

Zum BfV-Spezial aus dem Jahr 2004 mit einem Hinweis auf rechtsextreme Mordaufrufe gegen politische Gegner sagte A., das BfV habe sich immer um den Rechtsextremismus und Terrorismus gekümmert. Er erwähnte den Rechtsterroristen Kay Diesner, der 1998 einen Polizeibeamten erschoss. Das BfV habe eine Liste von Kroatiensöldnern erstellt, bei denen man Sorge gehabt habe, dass diese Anschläge begehen könnten. Man sagte damals, dass man Rechtsextremisten nicht zutraue, so organisiert wie eine RAF abzutauchen und so organisiert vorzugehen. Die im NSU-Unterschlupf in Zwickau gefundenen Landkarten und Listen habe man ausgewertet und die Landesämter eingebunden. Drexler brachte ein, dass es sich beim Autor von Listen vermeintlicher politischer Gegner um den Ludwigsburger Neonazi Dennis E. handelte. D. sei „als nicht besonders seriös“ eingeschätzt worden, entgegnete A. dem Ausschuss-Vorsitzenden: „Wir haben nicht festgestellt, dass es einen Besuch von dieser Person zum Trio gegeben hat“.

Auf die Frage des FDP-Vertreters Weinmann nach seiner Einschätzung zu Reformplänen des Innenministers zur Zusammenlegung der Verfassungsschutzbehörden sagte A., das sei weit jenseits seiner Aussagegenehmigung. Er habe als Privatmensch eine eigene Meinung, das würde aber den Rahmen sprengen.

Nach 20 Minuten endete die öffentliche Vernehmung des Verfassungsschützers und es folgte eine lange als „VS-Vertraulich“ und „VS-Geheim“ eingestufte nichtöffentliche Vernehmung.

Öffentlich vernommen wurde anschließend Frank Dittrich vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). Er leitet die Abteilung Recht/Linksextremismus und ist zugleich stellvertretender Amtsleiter.
Es ging zunächst um die Rolle des LfV nach dem Auffliegen des NSU im November 2011. Zum einen hätten sie die Strafverfolgungsbehörden unterstützt, begann Dittrich seine Ausführungen. Zum anderen habe man im Land und auch bundesweit Maßnahmen ergriffen, um die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zu verbessern.

Zur Unterstützung der Ermittlungsbehörden sagte Dittrich dann, der Verfassungsschutz habe seit Bekanntwerden des NSU-Komplexes Erkenntnisanfragen des LKA, des BKA und des GBA geantwortet. Wenn sie selbst Hinweise bekommen hätten, hätten sie diese unaufgefordert weiter gegeben. Dittrich erwähnte außerdem die Zuarbeit für die Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Ländern. Das sei auch als ein Teil der Aufarbeitung des NSU-Komplexes anzusehen.
Vom LKA seien fast täglich Erkenntnisanfragen gekommen. Das LfV habe Quellenbefragungen und Lichtbildvorlagen bei den Quellen und den operativ eingesetzten Beamten durchgeführt und Behördenzeugnisse erstellt. Ab Ende 2011 habe man begonnen, die von den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellten Informationen der weiteren Recherche und Aufklärung zu Grund zu legen, z.B. die Telefonlisten aus der Garage des Mundlos oder die Briefe von Mundlos. Auch die Stadtpläne aus den Asservaten habe man versucht auszuwerten.

„Der gesamte NSU-Komplex hat uns natürlich in großem Maße personell und von den Ressourcen beansprucht“, führte Dittrich weiter aus. Innerhalb des Auswertungsbereichs Rechtsextremismus habe man frühzeitig Umstrukturierungen vorgenommen. Dittrich führte die neuen Zusammenarbeitsformen mit der Polizei an und erwähnte Maßnahmen wie die 2012 angestoßene Überprüfung des Waffenbesitzes von Rechtsextremisten. Die Zuarbeit für die Untersuchungsausschüsse habe das LfV durchaus an seine personellen Grenzen geführt. Anfangs habe man keinen digitalisierten Aktenbestand gehabt und habe „zigtausende Aktenordner“ händisch gesichtet. Teilweise seien bis zu 40-50 Mitarbeiter aus anderen Bereichen abgezogen gewesen, die nichts anderes gemacht hätten als Akten zu sichten. Mittlerweile sei die Digitalisierung abgeschlossen.

Nach November 2011 sei beim LfV gar nichts mehr normal gelaufen. „Das hat bei uns die Welt umgekrempelt“, sagte Dittrich. Schon am 7./8. November 2011 habe es erste Besprechungen mit dem LKA und dem BfV gegeben, man habe Kriterienkataloge erarbeitet und Listen mit Aliasnamen ausgewertet. Das BfV habe mit der Bundestagsverwaltung für den ersten NSU-Untersuchungsausschuss Kriterien bzgl. der Aktenvorlage abgestimmt (Quellenschutz, Schwärzungen etc.). Das Vorgehen sei deshalb das Ergebnis einer einheitlichen Praxis im Verfassungsschutzverbund.

Probleme hätten darin bestanden, dass das LfV durch die Verfahrenshoheit des GBA immer nur einen rudimentären Einblick auf das Gesamtbild gehabt habe, so Dittrich. In der Öffentlichkeit sei in den letzten Jahren zum Teil nicht auf Verständnis gestoßen, dass das LfV eben keine Strafverfolgungsbehörde sei.

Zur Zusammenarbeit mit der BAO Trio sagte Dittrich, in Teilen seien Erkenntnisanfragen des BKA an das LfV gerichtet worden, in Teilen seien diese auch vom BKA über das BfV dort gesteuert gekommen, so dass das LfV dann an das BfV geantwortet hätte. In Einzelfällen habe es unmittelbaren Schriftverkehr mit dem BKA gegeben. Abstimmungsprozesse hätten auch im 2012 neu eingerichteten Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum in Köln statt gefunden. Dort habe man vor allem Gefährdungssachverhalte problematisiert, auch Sachverhalte im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex, wobei auch ein unmittelbarer Austausch zwischen der BAO Trio und einer eigens eingerichteten Sonderorganisation im BfV statt gefunden habe.

Auf die Frage, ob auch das LfV hinreichend informiert worden sei, äußerte Dittrich, er sehe da Probleme vor allem in der Zeit vor 2011: „Wenn man bestimmte Informationen noch vor der Entdeckung des NSU damals als sie in anderen Ländern angefallen sind rechtzeitig ausgetauscht hätte – ich denke dabei an die bereits genannte Telefonliste und die Briefe des Mundlos– dann hätte man sicherlich nicht nur bei uns sondern auch bei den Strafverfolgungsbehörden Zusammenhänge nach Baden-Württemberg erkennen können.“ Diese Unterlagen hätten sie erst Anfang 2013 erhalten und damit erstmals die Bezüge zwischen dem NSU-Trio und einzelnen Personen aus der rechtsextremistischen Szene in Ludwigsburg erfahren. Dittrich: „Sicherlich sind hier auf Seite der Verfassungsschutzbehörden gerade in anderen Ländern aber auch der Polizei und Staatsanwaltschaften die Dinge nicht so gelaufen, wie sie an sich sollten.“

Drexler nahm Bezug auf eine Email vom 29. oder 30. Januar 2013 vom LfV, nach der das LfV über den Aufenthalt von Mundlos und Böhnhardt in Baden-Württemberg durch das LKA informiert wurde. Über die Erkenntnisse der laufenden Ermittlungen sei das LfV laut Email trotz Nachfrage über das BfV aber nicht informiert worden. Dazu sagte Dittrich, das baden-württembergische LfV habe beim LfV Thüringen und beim BfV und beim LKA nachgefragt und um Vorlage entsprechender Unterlagen gebeten. Die Polizeibehörden hätten auf die Verfahrenshoheit des BKA verwiesen, was er nicht für außergewöhnlich halte. Es habe deshalb etwas gedauert, bis das LfV die Unterlagen über das LKA und das Innenministerium erhalten habe.

Drexler fragte dann, wo Dittrich heute noch Aufklärungsbedarf zu den NSU-Bezügen nach Baden-Württemberg sehe und wer diese leisten müsse. Dittrich sagte, die Polizei habe mit der Einrichtung der EG Umfeld etwas getan, was so in anderen Ländern gar nicht erfolgt sei. Es sei versucht worden, Erkenntnisse über die rechtsextreme Szene im Raum Ludwigsburg, Stuttgart und Heilbronn offen zu legen. Insoweit sei schon einiges gemacht worden. Seines Erachtens stehe und falle das Ganze mit einem zeitnahen Informationsaustausch dann, wenn solche Ereignisse statt fänden. Wenn es darum gehe, Ereignisse aufzuarbeiten, die 20 oder 30 Jahre zurückliegen, sei es umso schwerer.

Es ging dann um eine Mail des LfV vom 5. März 2012 ans BfV, in der das LfV mitteile, dass in Heilbronn zum Tatzeitpunkt keine signifikante rechtsextremistische Szene existiert habe. Dittrich führte dazu aus, diese Aussage sei richtig wenn man eine Gesamtschau vornehme der rechtsextremistischen Szene in Baden-Württemberg insgesamt, sowohl was diesen Zeitraum angehe aber an sich gelte das auch noch heute.
Speziell Heilbronn habe sich in den letzten Jahren und auch schon 2007 nicht als Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten hervorgetan.

Man habe natürlich auch im Raum Heilbronn gewisse Aktivitäten, zuletzt am 1. Mai 2011. Aber wenn er es vergleiche mit rechtsextremistischen Aktivitäten über die Jahre hinweg, dann habe man in anderen Bereichen eine rechtsextremistische Szene erlebt, die wesentlich aktiver gewesen sei und wesentlich mehr Gruppierungen gehabt habe. Dittrich nannte den Großraum Karlsruhe, Pforzheim, das Rhein-Neckar-Dreieck, den Bodensee, den Großraum Stuttgart mit dem Rems-Murr-Kreis, Ludwigsburg und Stuttgart selbst. Heilbronn selbst als Schwerpunkt herauszustellen falle ihm schwer.
Das LfV mache das nicht nur davon abhängig, ob in einem Bereich Rechtsextremisten wohnen würden sondern ob dort auch Aktivitäten entfaltet würden, die nach außen wahrnehmbar seien. Heilbronn habe sich dabei weder in den Jahren 2007/2008 noch in den Jahren davor oder danach als besonderer Schwerpunkt herauskristallisiert.

Drexler zeigte Dittrich dann die Karte mit den markierten Rechtsextremisten im Raum Heilbronn/Nordwürttemberg. Dittrich sagte, er gehe davon aus, dass man im Land momentan etwa knapp unter 2000 Rechtsextremisten kenne. In den Jahren zuvor sei es bis zu Dimensionen knapp unter den fünfstelligen Bereich gegangen. Da stelle sich für ihn die Frage, auf welcher Grundlage so eine Karte erstellt werde. Das mag im Bezug auf Heilbronn und die bekannt gewordenen Informationen aus dem NSU-Komplex durchaus nachvollziehbar sein. „Ich hege aber gewisse Zweifel, ob diese Karte, so wie sie sich darstellt, wenn man einen Abgleich mit unseren Daten vornimmt, ob das dann die Schwerpunkte sind“.
Man könne die Frage eines regionalen Schwerpunktes nicht nur am Wohnsitz fest machen. Man müsse das an Szeneörtlichkeiten festmachen und an der Frage, wo Szeneaktivitäten statt finden würden. Dittrich erwähnte Rheinfelden-Söllingen, wo jahrelang Skinheadkonzerte statt gefunden hätten.

Im LfV arbeite man nicht mit solchen Karten. Für die Skinheadszene habe man aber zeitweise Karten für die Bands, die Konzerte und die Veranstaltungsörtlichkeiten erstellt und veröffentlicht, so Dittrich weiter. Schwerpunkte seien in den letzten 20-25 Jahren primär neben dem Großraum Stuttgart auch im Bodenseeraum und vor allem im Rhein-Neckar-Dreieck und im Raum Karlsruhe/Pforzheim gehabt.

Drexler konterte, es gehe ja um die Frage eines Umfelds und Kontakte des NSU und nicht nur um Aktivitäten. Er zitierte außerdem aus dem Verfassungsschutzbericht 2007 einen Verweis auf die Region Ludwigsburg/Stuttgart/Waiblingen und auf rechtsextreme Musikvertriebe in Sinsheim, Obersulm und Stuttgart. Dittrich: „Das mag ja sein. Das ist natürlich richtig, was sie da sagen, aber das macht noch keinen Szeneschwerpunkt“. Man könne davon ausgehen, dass das NSU-Trio Kontakte hergestellt habe zu Personen aus dem Raum Ludwigsburg und aus anderen Gegenden und es hätten auch entsprechende Treffen statt gefunden, so Dittrich weiter. Aber nach der Recherche in zigtausenden Aktenordnern habe man keine Hinweise auf irgendwelche nach außen bemerkbare Aktivitäten des Trios gefunden. Man habe nur sieben oder acht Schriftstücke gefunden, in denen die als Trio oder einzeln erwähnt worden seien. Wie hätte man das feststellen sollen, wenn keine nach außen bemerkbaren Aktivitäten entfaltet worden seien, fragte Dittrich. Man habe die Bereiche Ludwigsburg, Heilbronn, Stuttgart und den Rems-Murr-Kreis natürlich unter Beobachtung und da seien auch verschiedene Maßnahmen gelaufen – aber eben nicht nur dort, sondern auch in den anderen genannten Bereichen.
Er selbst sei seit 2008 in seiner Funktion tätig, ansonsten habe er sich durch Unterlagen und die Kollegen dieses Wissen angeeignet. Die rechtsextremistische Skinheadszene sei Mitte der 2000er Jahre einer der Hauptschwerpunkte der Abteilung Rechtsextremismus im LfV gewesen, denn 2005 habe es eine noch nie dagewesene Zahl an Skinheads im Land gegeben (über 1000). Er meine sich erinnern zu können, dass damals auch die politische Vorgabe seitens des Innenministeriums gelautet habe: „rechtsextremistische Skinheadkonzerte sind zu verhindern“. „Man kann natürlich nicht in jeder Skinhead-Band und jeder regionalen Szene einen V-Mann haben“, sagte Dittrich weiter.

Im Raum Stuttgart/Heilbronn/Ludwigsburg habe man durchweg über die Jahre hinweg Probleme gehabt, menschliche Quellen zu gewinnen. In Teilen sei dies aber trotzdem gelungen, sowohl in der Neonaziszene als auch in der Skinheadszene. Von der Zugangslage sei man deshalb verglichen mit den anderen genannten Schwerpunkten von der „Zugangslage“ besser da gestanden und habe eine höhere Informationsdichte gehabt. Bei den bekannten Organisationen wie B&H, Furchtlos und Treu oder Standarte Württemberg habe man versucht – wenn es mit V-Leuten nicht geklappt habe – durch andere Maßnahmen Informationen zu generieren. Im Großraum Stuttgart habe man damals wesentlich mehr Telefonüberwachungsmaßnahmen laufen gehabt als in anderen Regionen Baden-Württembergs. Diese seien zum Teil auch in Gerichtsverfahren bekannt geworden, sagte Dittrich weiter und verwies auf die Verfahren gegen B&H-Nachfolgeorganisationen in Stuttgart und gegen die Band „Race War“. Bei der Standarte Württemberg habe man die Personen identifiziert und die Informationen an das LKA weitergegeben. Bei Furchtlos & Treu habe man sehr intensiv mit Telefonüberwachungen und Observationen gearbeitet.

Auf Nachfrage von Drexler erklärte Dittrich nochmals, unter einer „signifikanten Szene“ verstehe er wahrnehmbare oder auch zunächst nicht nach außen hin wahrnehmbare Aktivitäten. Man könne das nicht alleine an den Wohnsitzen festmachen. Dittrich erwähnte das „Rössle“ in Rheinmünster-Söllingen, wo hunderte Teilnehmer bei Skinheadveranstaltungen gewesen seien. Das habe eine andere Wirkung und ein anderes Potential als wenn sich eine Neonazikameradschaft mit sieben Personen immer mittwochs abends in einer Kneipe treffe und ansonsten keine Wirkung nach außen entfalte. „Da ist dann die Frage, hat sie die Bedeutung, dass es uns gelingt oder notwendig ist, diese Organisation mit einer V-Person zu durchdringen“.
Dittrich verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Frage der Verhältnismäßigkeit. Baden-Württemberg sei außerdem kein kleines Land, es sei kein flächendeckendes V-Leute-Netz möglich und denkbar und das wolle wohl auch keiner in einem Rechtsstaat.
Er müsse aber auch zugestehen, dass auch kleinste rechtsextreme Zirkel schlimmste Aktivitäten begehen, wie man jetzt sehe.

Drexler hielt Dittrich nochmals die Karte mit den markierten Rechtsextremisten im Raum Heilbronn/Nordwürttemberg vor. Es sei doch in der Nachbetrachtung eigentlich „fast logisch“, dass dort in diesem „Pulk roter Punkte“ ein Anschlag des NSU erfolgt sei und nicht am Bodensee oder im Schwarzwald.
Dittrich entgegnete, wenn das so wäre, müsse ein entsprechendes Unterstützerumfeld auch an den anderen NSU-Tatorten vorzufinden sein. Und da sei er sich nicht sicher. Es seien vor allem persönliche Kontakte und Kennverhältnisse aus Thüringen und Sachsen vorhanden gewesen und dadurch habe man die Gelegenheit gehabt, bei Befreundeten unterzukommen und dadurch Kontakte an hiesige Szeneangehörigen zu knüpfen. Ob das in Nürnberg, Köln oder ähnlich gewesen sei, könne er nicht sagen, so Dittrich weiter. Aber hier habe es für den NSU immerhin die Möglichkeit gegeben, unter Vertrauten unterzukommen. Das mag für Heilbronn möglicherweise ein ausschlaggebender Faktor gewesen sein. „Das ist jetzt aus meiner Sicht spekulativ“, sagte Dittrich.

Zur Karte des Ausschusses äußerte er, es wäre interessant, auch andere Regionen in Baden-Württemberg so zu betrachten und nach Häufungen von Wohnorten von Rechtsextremisten, Veranstaltungsorten und Szenetreffpunkten zu schauen. Dittrich: „Ob sich dieses Bild dann so weiter dann aufrechterhalten lässt, wie gesagt, ich tue mich da gerade ein bisschen schwer, das so zu sehen.“

Der Grünen-Abgeordnete Filius erkundigte sich nach der aktuellen Kommunikation der verschiedenen Behörden untereinander. Dazu sagte Dittrich, seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Anti-Terror-Datei gebe es klare verfassungsrechtliche Vorgaben über den Informationsaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Die Datenübermittlung seitens des Verfassungsschutzes an die Polizei sei vor dem Hintergrund des Trennungsgebots grundsätzlich die Ausnahme. Bei besonders schwer wiegenden Taten müsse aber natürlich ein Informationsaustausch erfolgen.

Dittrich meinte weiter, das LfV arbeite seit Jahren mit dem LKA auf einer sehr guten Basis und man tausche Informationen nicht nur zu Organisationen sondern auch zu Personen aus dem rechtsextremistischen Personen aus. Als Beispiele nannte Dittrich die Überprüfung von Waffenbesitz und die aktuelle Klärung des Personenpersonals der Reichsbürgerbewegung. Diese Dinge liefen institutionalisiert mittlerweile sehr gut, er sehe da keinen konkreten Handlungsbedarf. Probleme im Informationsaustausch sehe er aufgrund rechtlicher Vorgaben, die die Arbeit erschweren würden. Zu rechtsextremen Skinheadkonzerten gebe es Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der ein solches Konzert generell als politische Veranstaltung zu sehen sei und damit unter das Versammlungsgesetz falle. Der Polizei sei es deshalb aufgrund des Versammlungsgesetzes bei solchen Veranstaltungen nur noch schwer möglich, personenbezogene Daten festzustellen und Personen zu kontrollieren. In der Folge bekäme auch das LfV keine Daten von der Polizei. Die Rechtsprechung mache ihnen in diesem Fall das Leben schwer, so Dittrich. Man könne deswegen die Szene nicht so gut im Blick gehalten.

Zur Frage nach Behördeninformationen über Rechtsextreme, die innerhalb Deutschlands umziehen würden, führte Dittrich aus, man habe erst vor drei Jahren ein nachrichtendienstliches Informationssystem (Wissensnetz) im Verfassungsschutzverbund bekommen. Dort würden alle Verfassungsschutzbehörden die Personendaten einspeichern. Zuvor habe es dieses System nur als Index-Datei gegeben. Man habe vorher z.B. bei bestimmten Personen nur sehen können „der wohnt in Thüringen und da gibt es ein Aktenzeichen“. Vom Umzug von Rechtsextremisten habe man deshalb nur erfahren, wenn sie hier auffällig wurden oder wenn es sich um eine von den Behörden als besonders relevante Person gehandelt habe. Im letzteren Fall habe es Mitteilungen von den Behörden gegeben. Jetzt hätte das LfV die Möglichkeit der Volltextdatei und könne bundesweit sehen, was zu Personen in der Datei gespeichert sei. Das erleichtere die Arbeit ungemein und sei ein großer Fortschritt.

Zum von Filius ins Spiel gebrachten „Versagen von Verfassungsschutzbehörden“ im NSU-Komplex sagte Dittrich, es sei sicherlich ein Versagen, dass 1998 beim Abtauchen des Trios relevante Informationen nicht an die baden-württembergischen Behörden weitergegeben seien. Die Nichtkenntnis des Aufenthalts bestimmter Personen hier sei aber noch einmal eine ganz andere Frage. Deswegen wolle er ungern zustimmen, wenn pauschal gesagt werde die Verfassungsschutzbehörden hätten versagt. Defizite habe es beim Verfassungsschutz z.B. bei der Fähigkeit gegeben „Dinge analytisch zu durchdringen“. Da sehe er aber die Bundesbehörde in der Pflicht.
Eine Katastrophe sei zudem die „unsägliche Aktenvernichtungsaktion“ im BfV gewesen. „Das hat natürlich für den ganzen Verfassungsschutzverbund einen ganz schlechten Eindruck hinterlassen“. In Baden-Württemberg seien seines Wissens keine Akten vernichtet worden.

Der CDU-Abgeordnete von Eyb fragte, ob er es richtig verstanden habe, dass das LfV nach Aktendurchsicht keinerlei Hinweise auf eine konkrete Unterstützung des NSU gefunden habe. Daraufhin sagte Dittrich, man habe drei oder vier Meldungen anderer Behörden gefunden z.B. über Teilnehmer aus Baden-Württemberg bei einem Skinheadkonzert in Gera 1993 oder 1995 oder eine Demo in Aschaffenburg. Da seien Mitglieder des Trios in den Teilnehmerlisten gewesen. In einer Meldung aus Thüringen sei das Trio im Zusammenhang mit einem damals in Baden-Württemberg wohnhaften Liedermacher erwähnt gewesen. Andere Vorgänge, die Rückschlüsse auf Unterstützungshandlungen zuließen, gebe es nicht. Nicht einmal die Übernachtungen des Trios in Ludwigsburg seien bekannt gewesen. „Das ist damals nicht bemerkt worden“, so Dittrich.

Die AfD-Abgeordnete kommentierte die Ausführungen von Dittrich ähnlich wie ihr CDU-Kollege. Sie nehme bisher mit, dass keinerlei Unterstützung nachweisbar sei und dass der Mord an Michèle Kiesewetter einen ganz anderen Ablauf gehabt habe als die anderen NSU-Morde.
Von Dittrich wollte Baum wissen, für wie wahrscheinlich er es halte, dass das NSU-Trio dennoch für den Kiesewetter-Mord verantwortlich sei und ob man nicht auch andere Täter oder Tatmotive in den Raum stellen könne. Dittrich entgegnete, er könne zum Strafverfahren in München keine Aussage machen, das wäre rein spekulativ. Aus einer analytischen Betrachtung aus Sicht der Nachrichtendienste könne er sagen, dass die Tat in Heilbronn sicherlich aus dem Rahmen falle. Solche Angriffe auf Polizisten habe man trotz immer wiederkehrender rechtsterroristischer Organisationen in den 1980er und 1990er Jahren nicht gekannt. Was man im Fall NSU erlebt habe, seien systematische zielgerichtete Hinrichtungen gewesen.
Innerhalb der nachrichtendienstlichen Analyse sei zu bemängeln, dass man aufgrund des Schlusses, dass man so etwas noch nicht gesehen habe, sich nicht vorstellen konnte, dass das Rechtsterroristen gewesen seien. Aus der Analyse der damaligen Schriften in der Szene hätte man durchaus auch sagen können, dass so etwas vorstellbar sein müsse.

Zur Heilbronner Tat fragte dann auch der SPD-Abgeordnete Weirauch. Er wollte von Dittrich wissen, ob das LfV nach der Tat eigene Arbeitshypothesen aufgestellt habe. Dittrich verwies zunächst darauf, dass er 2007 noch nicht in seiner Funktion tätig gewesen sei. Er könne aber aufgrund der Unterlagen sagen, dass das LfV damals eine Befragung aller Quellen veranlasst habe, nicht nur im Bereich Rechtsextremismus, sondern auch in den Bereichen Linksextremismus und Islamismus. Man habe dadurch im Ergebnis keine Erkenntnisse generieren können. Einen Hinweis habe es über einen angeblichen Zusammenhang im Bereich Schwarzach bzw. Unterschwarzach gegeben. Diesen Hinweis habe das Amt an die Polizei weitergeleitet. Ansonsten seien keine Fallanalysen oder ähnliches produziert worden. Das sei primär Polizeiarbeit gewesen.
Alles was man im Nachgang auch aus den Medien zu Heilbronn erfahren habe, habe für das LfV nicht den Schluss auf einen rechtsextremistischen Hintergrund nahe gelegt. Man werde von der Polizei nicht unmittelbar in Ermittlungshandlungen einbezogen.

Nach 2011 habe man innerhalb des Verfassungsschutzverbundes aus nachrichtendienstlich-analytischer Sicht versucht, diese Dinge im aufzuarbeiten. An der Akademie des Verfassungsschutzes habe man einen Arbeitskreis für vergleichende Extremismusforschung eingerichtet, an dem auch Mitarbeiter seiner Abteilung beteiligt seien. Seitens des BfV habe man Hypothesen und Überlegungen angestellt, um künftig Rechtsterrorismus eher erkennen zu können. Das sei aber eine sehr abstrakte Basis und hänge nicht unmittelbar mit Heilbronn zusammen.
Seit Ende 2011 habe das LfV mehrfach Quellenbefragungen durchgeführt – immer, wenn neue Erkenntnisse bekannt geworden oder neue Beweisbeschlüsse der Untersuchungsausschüsse gekommen seien. Z.B. habe das LfV auf Grundlage der Heilbronner Phantombilder alle Quellen und V-Mann-Führer und alle im Bereich der Werbung von V-Leuten Eingesetzten befragt und diese Ergebnisse dem LKA bzw. der GBA zur Verfügung gestellt. Die Gesamtbetrachtung und Ermittlungsarbeit sei aber Grundlage der Polizei, wie Dittrich immer wieder betonte. Neben dem bereits genannten Hinweis habe das LfV in zwei weiteren Fällen Hinweise bekommen, die in Form eines Behördenzeugnisses dem LKA bzw. der GBA zur Verfügung gestellt worden sei. In einem Behördenzeugnis werde der Hinweis der Quelle so gefasst, dass die Identität des Hinweisgebers geschützt bleibe.

Der FDP-Abgeordnete Weinmann fragte nach Überprüfungen von Zusammenhängen zwischen „Furchtlos & Treu“ und dem NSU. Daraufhin sagte Dittrich, F&T sei schon nach der Abspaltung von „Blood & Honour“ (B&H) ein großes Thema gewesen – auch im Hinblick auf den Hauptprotagonisten der Organisation, der auch im Blick des Verfassungsschutzes gewesen sei. Die Organisation als solches sei immer wieder von Relevanz gewesen, weil immer wieder Personen mit entsprechenden Emblemen bei Szeneveranstaltungen festgestellt wurden.
Man habe immer einen Blick darauf gehabt, ob sich diese Szene wieder reaktiviere, so wie das LfV dies auch tue, wenn Kürzel wie C18 oder B&H auftauchen würden. „Da gehen dann die Alarmlampen an“, meinte Dittrich. Man habe das mit dem Instrumentarium versucht zu beobachten, das ihnen gesetzlich zur Verfügung gestellt würde.
Im Bezug auf den NSU-Komplex und eventuelle Waffenverschiebungen habe er keinerlei Erkenntnisse, aber das Thema Waffen sei bei F&T in früheren Jahren bei Durchsuchungen immer ein Thema gewesen.

Zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit der Behörden sagte Dittrich, innerhalb des Verfassungsschutzverbundes finde der Informationsaustausch durch das NADIS und durch den Austausch von Quellenberichten mit anderen Behörden statt. Es gebe außerdem Bund-Länderarbeitsgruppen, jährliche Tagungen und Telefonschaltkonferenzen. Seit dem NSU sei das mehr geworden. Die Zuständigkeit für Auslandsbeziehungen liege grundsätzlich beim BfV. Aber das LfV habe eine eigene Zuständigkeit für die Zusammenarbeit mit den angrenzenden Staaten. Es gebe intensiven Austausch mit den Nachrichtendiensten in Frankreich (zivil und militärisch), in der Schweiz und in Österreich. Es gebe da eine gute Zusammenarbeitsebene.

Zur bundesweiten VP-Datei führte Dittrich aus, die sei eine Konsequenz aus dem NSU-Komplex. Es solle an zentraler Stelle beim BfV einen Überblick über alle bundesweit eingesetzten Quellen der Verfassungsschutzbehörden geben. Da stehe noch ein bisschen mehr drin als nur der Arbeitsname oder eine Nummer, z.B. auch das Einsatzgebiet oder das Beobachtungsobjekt. Aus seiner Sicht sei das eine wichtige und praktikable Lösung. Auch vor 2011 habe das LfV dem BfV aber alle Zugänge gemeldet, so dass das BfV seit spätestens 2003 einen vollständigen Überblick über unsere Zugangslage hatte, nicht nur im Bereich Rechtsextremismus. Das sei eine Konsequenz aus dem ersten gescheiterten NPD-Verfahren gewesen. Das LfV wisse auch, welche Quellen das BfV hier in Baden-Württemberg einsetze.

Der CDU-Abgeordnete von Eyb fragte zu einer möglichen Umstrukturierung der Verfassungsschutzbehörden. Dittrich wollte sich dazu aber nicht äußern, da dies eine eher politische Frage sei. Er meine aber, dass das LfV in Baden-Württemberg seit Jahren eine der bundesweit leistungsstärksten Behörden sei, auch wenn der Personalbestand im bundesweiten Vergleich „nicht gerade rühmlich“ gewesen sei.

Drexler stellte eine Frage zum baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht 2007. Dort sei von einem einzelnen im Land ansässigen Rechtsextremisten und seiner Organisation die Rede, auf den zahlreiche Demonstrationen zurückzuführen seien. Dieser habe ab Herbst 2016 seine Szeneaktivitäten gedrosselt und drei geplante Demonstrationen in Schwäbisch Hall, Crailsheim und Heilbronn abgesagt. Im Jahr 2007 sei dieser Mann kein einziges Mal als Demonstrationsanmelder in Erscheinung getreten. Drexler wollte wissen, ob man sich nach 2011 überlegt habe, ob dieser Abbruch von Aktivitäten mit dem NSU-Mord 2007 in Heilbronn in Zusammenhang gestanden habe könnte und wer der genannte Neonazi sei. Dittrich sagte, im November 2011 habe das LfV für den Jahrgang 2007 sämtliche rechtsextremistischen Konzerte und Veranstaltungen und Demonstrationen auf einen Bezug zu den damals bekannten Namen überprüft habe. Letztlich habe man keinen Bezug feststellen können. Erstaunlicherweise konnte Dittrich zu der gefragten Person „aus dem Stehgreif“ und ohne sich vorab informiert zu haben, keine Auskunft geben und stimmte einer schriftlichen Beantwortung der Frage zu.

Mit Spannung erwartet wurden die Zeugenvernehmungen von zwei Personen aus der rechtsextremen Ludwigsburger Szene der 1990er Jahre. Beide standen auf der 1998 gefundenen sogenannten „Garagenliste“ von Uwe Mundlos und hatten das NSU-„Trio“ in den 1990er Jahren kennen gelernt.

Zunächst wurde die gelernte Zahnarzthelferin Barbara E.-N. vernommen. Sie äußerte gleich nach der ersten Frage von Drexler bezüglich der von ihr besuchten rechten Veranstaltungen und Treffpunkte: „Ach du lieber Gott, es ist schwierig, das ist schon bisschen länger her.“
Dann sagte sie „Meistens war es beim Herr E.“ und nannte eine Kneipe in Ludwigsburg, ein Konzert in „Jena oder Gera“ und Öhringen. Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt habe sich durch den Herr E. kennengelernt. E. sei mit dem Markus Fr. befreundet gewesen und der habe die gekannt und dann seien die zu Besuch gekommen. Auf dem Konzert in Jena oder Gera habe sie das „Trio“ zunächst 1993 oder 1994 getroffen, bestätigte Barbara E.-N. Herr E. habe sehr oft Besuch von denen gehabt und Beate Zschäpe habe zwischen 1992 und 1996 vier oder fünf mal bei ihr übernachtet. Uwe Mundlos habe sie Ende 2000 oder Anfang 2001 für etwa eine halbe Stunde beim Herr E. gesehen. E. habe sie damals angerufen, ob sie auch kommen wolle.

Barbara E.-N. berichtete, dass sie zunächst mit Hans-Joachim S. zusammen gewesen sei. Nachdem sie nicht mehr mit ihm zusammen gewesen sei, sei S. weniger zu den Treffen bei Herr E. gekommen. Dass Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt untergetaucht seien habe sie nicht mitbekommen und auch 2011 erst zwei Wochen nachdem es in den Nachrichten kam erfahren. Sie lese keine Tageszeitung. Auf Vorhalt aus ihrer Vernehmung hin bestätigte E.-N., dass das „Trio“ etwa 30 Mal zu Besuch in Ludwigsburg gewesen sei. Man habe Party gemacht. Hans-Joachim S. sei bis 1995 oder 1996 dabei gewesen, 2000 habe sie zu Hans-Joachim S. gar keinen Kontakt mehr gehabt.

Als Drexler sie auf kleinere Widersprüche bei ihren polizeilichen Vernehmungen 2012 und 2013 hinwies, sagte E.-N., das sei alles 20 Jahre her. Sie verneinte außerdem, damals Teil der rechten Szene gewesen zu sein. Sie habe damals auch Kontakt zu Leuten aus der linken Szene gehabt. „Ich beurteile die Leute nicht nach ihrer politischen Meinung“, sagte E.-N. Bei den Treffen habe sie nicht über politische Dinge gesprochen, man habe viel getrunken, Spaß gehabt und die Leute veräppelt. Mundlos sei öfters mit einem roten Auto gekommen. Den Uwe Böhnhardt habe sie nie wahrgenommen. Sie könne nicht sagen, ob der dabei gewesen sei. Meistens hätten die beim Herr E. im Keller übernachtet, da habe es viel Platz gehabt.

Barbara E.-N. bestätigte einen Vorhalt aus ihrer polizeilichen Vernehmung zu einem Treffen in einer Besen-Wirtschaft in Tamm. Das sei „oben auf dem Feld“ gewesen, auch der Herr E., der Steffen H. („Sachse“) aus Leipzig und ein Kumpel von Uwe Mundlos seien dabei gewesen. Beate Zschäpe sei ein „ganz nettes Mädchen“ gewesen, sie hätten sich über Klamotten unterhalten und nie über rechtsextreme Themen. Zschäpe und sie selbst seien auch nicht szenetypisch gekleidet gewesen. Mundlos sei ein „sehr netter Mensch“ gewesen, er sei lustig gewesen, habe viel geredet und Witze erzählt. E.-N. erklärte zum „Keller“ des Herr E., in dem die Feste gefeiert wurden, das seien weiß gestrichene Räume mit Sofas und Musik gewesen. E.-N. bestätigte auf den Vorhalt von Drexler hin ihre Aussagen bei der Polizei zu einem Besuch in der Ludwigsburger Gaststätte „Oase“ an Ostern 1996 mit Michael E., Beate Zschäpe und Uwe Mundlos. In der „Oase“ sei auch Hans-Joachim S. mit seiner neuen Freundin Corinna B. aus Kornwestheim gewesen. B. habe bei der Deutschen Bahn gearbeitet und sei in der rechten Szene gewesen, was an ihrer Kleidung und ihrer Frisur zu erkennen gewesen sei. Mit B. habe sie aber überhaupt nicht geredet, man habe sich gegenseitig ignoriert, so Barbara E.-N. weiter.

Als Drexler sich verwundert darüber zeigte, dass laut der Zeugin nie über politische Themen gesprochen worden sei, wiederholte E.-N., dass sie damals auch Freunde in der linksradikalen Szene gehabt habe.
Bezüglich des Besuchs von Uwe Mundlos bei Michael E. 2000 oder 2001 meinte sie, sie sei sich auch nicht sicher, ob E. gewusst habe, dass Mundlos damals bereits im Untergrund gelebt habe. E. sei wegen seines Alkoholkonsums die letzten drei oder vier Jahre seines Lebens fast nicht mehr ansprechbar gewesen.

Drexler zitierte aus der polizeilichen Vernehmung der Zeugin im Jahr 2012, laut der E.-N. davon berichtete, dass Mundlos bei einem Treffen gesagt habe, dass man nicht in eine Partei wie die NPD eintreten solle weil da sowieso nur heiße Luft käme und nichts passiere. Dazu sagte E.-N., Mundlos habe sich halt über Parteien aufgeregt, er habe aber nicht mit ihr darüber gesprochen. Bei dem Treffen seien wahrscheinlich nur Michael E., Mundlos und sie dabei gewesen. Wenn solche Äußerungen gefallen seien, dann höre sie da nicht zu weil es sie nicht interessiere, führte E.-N. weiter aus.
Drexler zitierte dann aus einem Brief von Mundlos an Thomas Starke, in dem dieser eine Reiberei zwischen Barbara E.-N. („Uschi“), Hans-Joachim S., dessen neuer Frau Corinna B., Steffen H. und Michael E. im Jahr 1994 beschrieben habe. Das seien wahrscheinlich persönliche Angelegenheiten zwischen ihr und Corinna B. gewesen, erklärte E.-N. dazu.

E.-N. verneinte dann, das „Comico“ in Horb, das „Finnegan`s“ in Heilbronn oder den „Justus-Keller“ bzw. „Fidelius“ in Ludwigsburg zu kennen. Das „Altberliner“ kenne sie, das sei am Ludwigsburger Bahnhof. Der „Hönig“ sei ein Laden für Militärbekleidung. In der „Rockfabrik“ in Ludwigsburg sei sie früher „fast zu hause“ gewesen. E.-N. erwähnte außerdem den „Keller“ in Heilbronn, den sie mit Hans-Joachim S. zusammen besucht habe, es sei aber niemand vom „Trio“ dabei gewesen. Auf einen Vorhalt von Drexler aus ihrer Vernehmung 2014, in der sie gesagt hatte, sie hätte sich alleine nie in den „Keller“ getraut weil dort „finstere Gestalten“ gewesen seien, äußerte E.-N., das seien eher Hooligans und „südländische“ Zuhältertypen gewesen. Es habe geheißen, dort hätten Waffengeschäfte statt gefunden.

E.-N. sagte, sie glaube aber nicht, dass Hans-Joachim S., Michael E. und Steffen H. an Waffengeschäften beteiligt gewesen sein könnten. Michael E. sei „einfach zu blöd für so was“ gewesen, bei Hans-Joachim S. glaube sie es auch nicht, bei Steffen H. wisse sie es nicht. Hans-Joachim S. sei in der rechtsextremen Szene gewesen, das habe man am Verhalten, den Freunden und der Frisur gemerkt. Auf die Frage von Drexler, ob sie S. zu Treffen mit anderen Rechtsextremisten begleitet habe, antwortete E.-N., in Ludwigsburg habe es eine Kneipe gegeben, wo auch andere Leute hingegangen seien. Sie sei zwei oder zweieinhalb Jahre lang mit Hans-Joachim S. zusammen gewesen. Die Zeugin zählte dann einige Namen von Freunden von S. auf.
Auf die Frage der Grünen-Abgeordneten Häffner erwähnte E.-N. eine Freundin von Zschäpe mit dem Spitznamen „Elke“ aus Jena oder Gera, die auch bei den Besuchen dabei gewesen sei. Die habe bei Michael E. oder irgendwo anders übernachtet. Sie habe die nicht gemocht, so E.-N.

Sie selbst habe den Michael E. in einer Kneipe in Hoheneck beim Dartspielen kennen gelernt, als sie noch in der Ausbildung gewesen sei. Der E. sei sehr lustig und unterhaltsam gewesen und ein „ganz helles Köpfchen“. Ihr Freund vor Hans-Joachim S. sei schon sehr gut bekannt mit Michael E. gewesen.
Barbara E.-N. erklärte, sie habe vom „Trio“ am 18. November 2011 erfahren – am Geburtstag ihrer Freundin als sie es im Fernseher gesehen habe. Sie sei völlig verstört gewesen.

Zu der Veranstaltung in Öhringen, die sie besucht hatte, sagte E.-N. das sei irgendwo im Wald gewesen und das BKA habe ihr mitgeteilt, dass es eine „1000 Dosen-Bier-Party“ gewesen sei. Man habe dort etwas getrunken und sich unterhalten. Warum Thomas Starke ins Gefängnis gekommen sei, habe sie nicht interessiert. Michael E. habe dem Briefe geschrieben und sie habe noch einen Satz darunter geschrieben.

Anfang der 1990er Jahre sei sie zweieinhalb bis drei Jahre lang mit Michael Ho. zusammen gewesen, führte E.-N. weiter aus. Sie habe mitgekriegt, dass der rechts war. Dass Ho. in der Band „Kettenhund“ war, habe sie gar nicht mehr mitgekriegt, denn da sei sie nicht mehr mit ihm zusammen gewesen. Das Konzert in Jena sei ein „rechtes Konzert“ gewesen, das „Trio“ sei dort gewesen. Auf die Frage von Häffner, welche Bands dort gespielt hätten, sagte E.-N.: „Ich war nicht mehr ganz nüchtern.“ Mit Michael Ho. sei sie auch mal bei einem Konzert in Weimar gewesen, das sei vermutlich „Störkraft“ gewesen. Ho. habe den Sänger von „Störkraft“ gekannt.

Auf die Frage des CDU-Abgeordneten von Eyb, warum Zschäpe bei ihr übernachtet habe, sagte E.-N. das sei aufgeteilt worden und weil Zschäpe die einzige gewesen sei, die vernünftig aussah und die man mit nach Hause zu den Eltern nehmen konnte, habe sie die mitgenommen. Sie hätten über Jungs und Männer geredet. Damals sei Zschäpes Partner eindeutig Uwe Mundlos gewesen. Bei den Partys hätten Jungs und Mädels meist getrennt voneinander in verschiedenen Ecken im Keller gesessen.

Drexler wollte von der Zeugin wissen, ob sie niemanden gefragt habe, warum das „Trio“ ab 2001 nicht mehr gekommen sei. Darauf sagte E.-N., sie habe sich da 1998 ein bisschen rausgezogen, 2000 sei sie Mutter geworden. Drexler fragte, warum sie 2000/2001 obwohl sie ein kleines Kind gehabt habe, zu Michael E. gegangen sei als Mundlos zu Besuch war. Michael E. sei einer ihrer besten Freunde gewesen, entgegnete E.-N. Sie sei wegen Michael E. und wegen Mundlos dorthin gegangen.

Die AfD-Abgeordnete Baum interessierte sich für das Verhältnis von E.-N. zu Beate Zschäpe. Die Zeugin antwortete, Zschäpe sei eine „weitläufige Bekannte“ gewesen, keine Freundin. Nach dem Hans-Joachim S. habe sie selbst einen neuen Freund gehabt, der mit Michael E. nicht klar gekommen sei. Deswegen sei das Ende 1997 etwas abgerissen.

Der SPD-Abgeordnete Weirauch fragte u.a. nach Gesprächen über Rudolf Hess. So etwas habe sie damals nicht wahrgenommen, weil es sie nicht interessiert habe, meinte E.-N. dazu. Zur Haltung gegenüber der Polizei erwähnte E.-N. einen Landfriedensbruch am Ludwigsburger Bahnhof, an dem auch Michael E. beteiligt gewesen sei. Ansonsten sei „nicht wirklich“ über die Polizei gesprochen worden. Einmal sei sie bei einem Konzert von „Kettenhund“ gewesen. Den Bandnamen „Noie Werte“ habe sie schon einmal gehört. Ihr Ex-Freund Hans-Joachim S. habe den Spitznamen „Waffen-S.“ gehabt, weil er lauter Dolche und Dekowaffen an der ganzen Wand gehabt habe.

Der FDP-Vertreter Weinmann erkundigte sich u.a. nach der fremdenfeindlichen Gesinnung von Mundlos und Zschäpe. Man habe durch die Kleidung mitgekriegt, dass Mundlos eher in die rechte Ecke tendierte, antwortete E.-N. Mit Michael E., Steffen H. und Hans-Joachim S. habe sie einmal eine Waffenbörse besucht, sie habe sich die Waffen aber nicht angeschaut.

Drexler ermahnte E.-N., die Wahrheit zu sagen und stellte weitere Fragen. Bspw. ging es darum, warum sowohl die private Nummer von E.-N. als auch eine Telefonnummer in ihrer damaligen Ausbildungsstelle im Robert-Bosch-Krankenhaus auf der „Garagenliste“ des NSU landete. E.-N. sagte, sie wisse nicht mehr, ob sie Zschäpe vor 20 Jahren diese Nummern gegeben habe. Nach einem längeren Disput mit Drexler über Einzelheiten ihrer polizeilichen Vernehmung 2013 und ihr Erinnerungsvermögen äußerte E.-N., sie sei wegen „diesen ganzen Sachen“ zwei Monate in psychologischer Behandlung gewesen um Sachen zu vergessen.

Drexler stellte relativ sprunghaft weitere Fragen zu den unterschiedlichsten Begebenheiten und Personen. So erklärte E.-N. z.B., den Neonazi Markus Frntic habe sie zwei oder drei mal in einer Kneipe in Ludwigsburg und bei der Fußball-WM 1990 gesehen. Den rechten Hooligan Steffen J. kannte sie auch, sie habe ihn aber nicht gemocht. Thomas Starke habe sie einmal bei einem Besuch im Osten gesehen. Michael E. und Starke hätten sich telefonisch und auf Konzerten öfter unterhalten und Briefe geschrieben. Davon, dass Zschäpe mit Starke liiert war, habe sie nichts mitbekommen.

In Heilbronn sei sie nie gewesen – abgesehen von dem Besuch im „Keller“. Einen Auftritt der „Elke“ in „Stern TV“ zum Thema NPD habe ihr jemand auf Video gezeigt, sie habe aber mit „Elke“ nie darüber geredet. Immer wieder kam die Vernehmung zu dem Punkt, dass sich E.-N. mit niemandem über Politisches unterhalten haben will. Mit Zschäpe habe sie zum Beispiel auch über Pflanzen geredet, weil die damals eine Gärtnerlehre gemacht habe.

Sie habe keinen Brief an Enrico R. aus Chemnitz ins Gefängnis geschrieben, bei dem habe sie aber mal übernachtet. Enrico R. sei auch bei Michael E. und wohl auch bei der Party in Öhringen dabei gewesen, sagte E.-N. weiter. Möglichweise habe Michael E. einen Brief an Enrico R. geschrieben und sie habe dort etwas drauf geschrieben.
Auf einen Vorhalt aus der Vernehmung von Hans-Joachim S. wonach die Kontakte über die „Mädels“ gelaufen seien, reagierte E.-N. überrascht. Da müsse man S. fragen, wen er damit meine. Sie habe keine Telefonnummer von Zschäpe oder von jemand anderem gehabt.

Der Grünen-Abgeordnete Filius zeigte E.-N. ein Foto, auf dem die Ludwigsburger Clique und der Spruch „Deutschland erwache“ an der Wand zu sehen ist. „Sie dichten hier mir gerade irgendetwas an mit Rechtsradikalismus“, versuchte E.-N. zu kontern. Sie könne ihm mindestens 20 Personen nennen, die „absolut links“ seien und mit denen sie auch zusammen gewesen sei. Sie sehe nicht die Politik, sondern die Menschen. Sie habe damals sehr viel getrunken. Den Spruch habe sie nicht gut gefunden: „Ich hatte meine Meinung und die hatten ihre Meinung“.

Auf Nachfrage des SPD-Abgeordneten Weirauch sagte E.-N., sie wisse aus den Nachrichten von einem Zusammenhang von Tino Brandt mit dem NSU. Jug P. kenne sie aus der „Oase“ in Ludwigsburg, mit dem habe sie vor zwei oder drei Jahren bei Facebook Kontakt gehabt. Nicht mehr sagen könne sie, welche Personen sie nach ihrem „Rückzug“ aus der Clique zufällig getroffen habe.

Für die von der Zeugin angesprochene zweimonatige psychologische Behandlung interessierte sich die Grünen-Vertreterin Häffner. Die Sache mit Mundlos und Zschäpe habe sie „nachhaltig schwer geschockt“ und sie fände es „bis heute unfassbar“, erklärte E.-N., auch wenn Zschäpe und Mundlos nur oberflächliche Bekannte gewesen seien. Es ärgere sie sehr, was über sie im Internet stehe, sagte die Zeugin weiter. Zu ihren Facebook-Kontakten zu Jug P. und Enrico R. sagte Barbara E.-N., sie habe nicht gewusst, dass Jug P. etwas mit NSU zu tun gehabt habe und Enrico R. sei für sie da auch raus gefallen. Sie beharrte darauf, einen großen Freundeskreis mit unterschiedlichen Leuten zu haben. Ihre beste Freundin seit 25 Jahren habe überhaupt nichts mit der damaligen Clique zu tun gehabt.

Im Anschluss wurde der frühere Lebensgefährte von Barbara E.-N., Hans-Joachim S., vernommen. Er bestätigte, das NSU-Trio über Michael E. und „die Chemnitzer“ um Markus Fr. kennen gelernt zu haben. Sie seien nach Gera zu einem Konzert gefahren. Uwe Böhnhardt sei das „Licht hinter dem Mundlos“ gewesen, mit dem habe er gar nicht gesprochen, sagte S.

Auf die Frage, wann er das Trio zuletzt gesehen habe, verwies Hans-Joachim S. auf das LKA bzw. BKA, die wären der Meinung 1996. Bei einem Treffen 2000/2001 sei er nicht dabei gewesen. Ob Teile des Trios bei ihm übernachtet hätten, wisse er nicht mehr aber Barbara E.-N. sage, dass es so gewesen wäre. S.-erzählte dann eine „lustige Begebenheit“: als er das Trio bei sich zuhause einmal alleine gelassen habe, hätten die eine Pizza 27 Minuten lang in der Mikrowelle warm gemacht und dann habe sich der Plastikteller auf die Pizza gelegt. Mit Namen habe er es nicht so, aber außer Mundlos sei evtl. Stefan A. dabei gewesen.

Zum Thema Waffen sagte Hans-Joachim S., er habe abgeänderte Dekowaffen aus dem Zweiten Weltkrieg, Messer, Schlagringe und eine Schlagrute besessen. Heute besitze er davon nichts mehr, einige Sachen habe die Polizei. 1998 sei bei ihm eine Hausdurchsuchung gewesen, er vermute aufgrund einer Aussage seines Nachbars.

S. betonte immer wieder, an vieles – insbesondere an Namen – könne er sich nicht mehr erinnern. Er schilderte eine Begebenheit im Kaufland in Ludwigsburg. Dort habe sich Mundlos vor einem Schwarzafrikaner niedergekniet, ein Kreuz gemacht und gesagt „Satan, weiche von mir“. Das hätten sie damals lustig gefunden. Er denke, dass damals auch Böhnhardt dabei gewesen sei, der sei aber ein „unscheinbares Männle“ gewesen. Bomberjacke und Stiefel seien damals einfach cool gewesen, über Politik habe man sich aber nicht unterhalten, äußerte S.

Mit Michael E. und Barbara E.-N. sei er auf ein Konzert in die neuen Bundesländer gefahren. E.-N. sei immer dort gewesen, wo „Action“ gewesen sei. Er habe sie als „Heavy Metallerin“ in der Ludwigsburger Rockfabrik kennen gelernt. Zu einer Party in Öhringen sei die Ludwigsburger Clique damals zusammen mit den Chemnitzern mit zwei Autos gefahren.
Zur „Oase“ in Ludwigsburg sagte S., er sei dort mit „Kameraden aus Ludwigsburg“ gewesen, aber nicht mit Mundlos. Mit seiner Freundin Corinna B. sei er nie in der „Oase“ gewesen, so S. weiter.

Drexler hielt S. einen Brief von Mundlos an Thomas Starke aus dem Jahr 1994 vor, laut dem es bei Michael E. in Ludwigsburg zu Reibereien innerhalb der Ludwigsburger Clique mit Barbara S., Hans-Joachim S. und Corinna B. gekommen sei. Dazu sagte S., er glaube, Corinna B. sei nie bei Michael E. gewesen. Es könne sei, dass es eine andere Person gewesen sei. Barbara E.-N. sei immer besoffen gewesen. Vom Untertauchen des Trios habe er erst 2011 aus den Medien erfahren. Als er die Jugendfotos der Jenaer gesehen habe, habe er gedacht „die kenne ich aber“ und die Barbara E.-N. angerufen.

Zu Hausdurchsuchungen 1996 bei ihm, Corinna B. und weiteren Personen sagte S., bei ihm habe die Polizei Dekowaffen, eine Luftpistole und Übungspatronen der Bundeswehr gefunden. Mit seinen Kameraden habe er danach gesprochen, dass die Unantastbarkeit der Wohnung und des Eigentums „im Staate Deutschland ziemlich unter den Tisch gekehrt“ werde. Die beschlagnahmten Gegenstände habe er von der Polizei wieder zurückbekommen. Irgendwann habe er die Sachen aber verkauft.

Hans-Joachim S. kommentierte dann kurz verschiedene von ihm damals besuchte Szene-Kneipen, die ihm Drexler nannte, darunter das „Comico“ in Horb und mehrere Kneipen in Ludwigsburg.
Ob Mundlos bei ihm übernachtet habe, könne er nicht mehr erinnern. Im Keller von Michael E. habe er sich mit Mundlos über die Bundeswehr und über Konzerte unterhalten. Über Anschläge, Aktionen, Waffengeschäfte oder Adressen etc. sei niemals gesprochen worden. Zur „Garagen-Liste“ des Trios, auf der seine Telefonnummer stand, sagte S., er vermute, damals dem Mundlos seine Telefonnummer gegeben zu haben. Man habe das damals vermutlich gemacht, damit er ihm habe sagen können, wann das Konzert in Jena sei. Im Osten seien damals mehr Konzerte gewesen, das sei ein „rechtsfreier Raum“ gewesen. Ob Mundlos wegen einem Konzert angerufen habe, wisse er nicht mehr. Anlässlich eines „Oithanasie“-Konzerts habe er bei Enrico R. übernachtet, sagte S. auf Nachfrage. Der Kontakt sei über den Chemnitzer Markus Fr. zustande gekommen. Briefe an Gefangene habe er keine geschrieben.

Der Grünen–Abgeordnete interessierte sich dafür, dass Hans-Joachim S. Mundlos und Böhnhardt seine Waffensammlung gezeigt habe. S. sagte, die beiden seien damals enttäuscht gewesen. Böhnhardt habe so etwas gesagt wie „die sind ja gar nicht echt“. Das sei eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, bei denen Böhnhardt überhaupt etwas gesagt habe. Die Waffen habe er von einer Waffenbörse in Stuttgart und von einem Händler, der damals in Stuttgart gewesen sei und jetzt in Schorndorf sei. Auch von seinem Kumpel Thomas K. habe er einiges bekommen, so S. weiter.

S. erklärte, sich nie Gedanken gemacht zu haben, als er das Trio dann nicht mehr gesehen habe. Relevant seien eher die Chemnitzer gewesen. Der Enrico R. sei eine „unvergessliche Marke“ mit seinen T-Shirts, Sprüchen und Aktionen. R. habe bspw., erzählt, dass er mit einem Luftgewehr auf eine Antifa-Demo geschossen habe.

Markus Frntic sei der „Chef“ in der damaligen Ludwigsburger Szene gewesen. Zum Spruch „Deutschland erwache“ im Keller von Michael E. sagte S., das sei halt ein altdeutscher Spruch gewesen. Das sei die Idee von K. gewesen und der habe das gemacht. Damals habe man das gut gefunden.

Als er 2011 von Mundlos und Böhnhardt erfahren habe, sei er sehr überrascht gewesen, so Hans-Joachim S. weiter. Er hätte so etwas eher dem Enrico R. zugetraut. Als Filius sich erkundigte, ob also doch über Politik gesprochen worden sei, sagte S., man habe sich unterhalten, dass „unsere Offiziere“ im Zweiten Weltkrieg die „Oberpfeifen“ gewesen seien. Über Aktionen sei nicht gesprochen worden, es seien Saufgelage gewesen im Keller von Michael E.

Der SPD-Weirauch fragte nach Demonstrationen und Gedenkmärschen. S. meinte, er habe daran niemals teil genommen. Er wisse, dass die Chemnitzer vor einem Rudolf-Hess-Marsch verhaftet worden seien. Über Rudolf Hess sei damals gesprochen worden. Er vermute, dass die Chemnitzer nicht mal einen politischen Hintergrund gehabt hätten, sondern zum „Pöbeln“ dort hin wollten.

Enrico R. habe öfters „Gewaltsachen erledigt“, meinte S., als Weirauch ihn fragte, warum er R. die Taten von Mundlos und Böhnhardt eher zugetraut hätte. R. habe Schwarze, eigene Leute und Türsteher zusammen getreten.

Als um das Verhältnis zur Polizei ging, sagte S.; „Ich will jetzt niemand reinreiten, aber ich kenne Polizisten, die haben ne gesunde Einstellung sage ich jetzt mal“. Die Polizisten, mit denen man damals zu tun hatte, hätten auch gesagt „eigentlich macht ihr das Richtige“. In ihrer Clique sei einer gewesen, dessen Vater der Polizeichef von Ludwigsburg war.

Zur Band „Noie Werte“ sagte S., den Sänger Steffen Hammer und den Gitarristen kenne er. Nachdem er die Ludwigsburger Clique verlassen habe, sei er öfter in den „Hirsch“ nach Stuttgart und da seien der Herr Hammer und sein Gitarrist auch gewesen.
Die bei einer Hausdurchsuchung bei ihm beschlagnahmten indizierten CDs habe er auf Konzerten gekauft oder bestellt, erklärte S. weiter.

Tino Brandt kenne er nur aus dem Fernseher und über pädophile Kreise in der rechtsextremen Szene sei ihm nichts bekannt, führte S. aus. Ihm habe man so etwas auch unterstellt, das sei aber „abgewiesen“ worden. Zur HNG sagte S. er kenne jemanden, der dort aktiv gewesen sei.

Dem FDP-Abgeordneten Weinmann antwortete S., es komme ständig im Fernsehen, wie man Dekowaffen scharf machen könne, in dem man in der Schweiz einen Lauf kaufe. Er habe das aber nie machen wollen. Da gehe man heute eher ins Darknet und bestelle eine Kalaschnikow für 150 Dollar.
In Heilbronn sei er zusammen mit mehreren Kameraden im „Keller“ gewesen, sagte S. Da habe man Musik gehört und von der aufgelösten „Heilbronner Front“ seien noch welche da gewesen. Mit Hools habe es ständig Stress gewesen. Auch auf einem „1000 Bier Fest“ sei er gewesen, er habe das als Geburtstagsparty von den Zwillingen in Öhringen in Erinnerung aber das sage, das sei das Bier-Fest gewesen. Kontakt zum Ku Klux Klan habe er keinen gehabt.

Drexler kam auf die Äußerung von S. zurück, dass er Polizisten mit der „gesunden Einstellung“ kennen würde. Man sehe doch, dass die Polizei „ständig auf die Fresse bekomme“, erklärte S. dazu. Eine „gesunde Einstellung sei“ es „nicht nur die anderen zu schützen, sondern auch das deutsche Volk zu schützen.“ Drexler beklagte lautstark, dass der Zeuge kaum antworte, wenn es „gefährlich“ werde und wollte, dass S. seine Äußerung erklärt. S. schilderte daraufhin eine Geschichte, als Michael E. einmal von zwei Polizisten heim gefahren worden sei, weil er betrunken war. Einer der Polizisten habe Verständnis für die Einstellung von E. geäußert, weil der in einer Gegend mit vielen „Ausländern“ gewohnt habe.

Auf einen Vorhalt von Drexler aus der Vernehmung von Barbara E.-N. bestritt S., jemals Waffenskizzen gezeichnet zu haben. Er habe mit Mundlos nur über Waffen beim Militär, über Schießanlagen und das Exerzieren gesprochen. Drexler zählte S. dann diverse bekannte Namen aus der baden-württembergischen Neonaziszene auf. Teilweise hatte S. von diesen gehört, einige kannte er nicht. Markus Frntic sei ein Anführer gewesen, er selbst habe nur auf Konzerte gewollt.

Zu einem Zitat aus der Vernehmung seiner Ex-Frau, die eine Führungsposition von S. in der Szene andeutete, sagte S., diese habe ihn auch der Gewalt in der Ehe und des Kindesmissbrauchs bezichtigt: „Da brauchen sie gar nichts drauf geben!“ Er habe nie eine Führungsposition gehabt, er sei eventuell „der Fahrer“ gewesen aber sonst nichts. Mit der rechten Szene habe er jetzt gar nichts mehr zu tun, damals habe man Musik gehört.

Beim Besuch in Ludwigsburg hätten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe einen Stadtplan von Ludwigsburg dabei gehabt und hätten wissen wollen, wo die rechten Szenetreffs waren. Nach anderen Einrichtungen hätten sie nicht gefragt.
Mundlos habe mit ihm nicht über Thomas Starke gesprochen, sagte S. Mundlos habe aber von einer Schlägerei auf einer Reservistenparty erzählt.

Zu seiner heutigen politischen Weltsicht sagte S. auf Frage von Drexler, ihm sei „alles scheißegal“. Die Apokalypse stehe bevor, es gebe Erdbeben in Italien und Überschwemmungen. Trump sei ein Vollidiot, wenn der auf den roten Knopf drücke sei die Welt im Arsch. Er sei niemals in einer Partei, Organisation oder Kameradschaft gewesen, erklärte S. Die Ludwigsburger Gruppe sei „kein organisiertes Ding“ gewesen.

Den Jug P. kenne er über die Ludwigsburger Szene, das seien 30 oder 40 Leute gewesen. P. habe er in der „Musikhalle“ kennengelernt. Markus W. und sein Bruder Stefan W. seien „Tammer“ gewesen. Die „Tammer“ habe man kennen müssen. Steffen J. habe er auch in der „Musikhalle“ kennengelernt. Der J. habe eine Waffenbesitzkarte und sei im Schützenverein. Mit Mundlos habe er sich nicht darüber unterhalten, wo man in Stuttgart Waffen kaufen könne, sagte S. bezüglich eines Waffenladens , der auch auf der „10.000er-Liste“ des NSU stand. Zu geplanten Waffeneinkäufen in Tschechien könne er auch nichts sagen, antwortete S. dem Ausschuss-Vorsitzenden Drexler.

Comments are closed.