Erneut Zeugen aus der Neonazi-Szene im Stuttgarter NSU-Ausschuss

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In seiner 11. Sitzung am 19. Juni 2017 wird sich der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im Stuttgarter Landtag wieder mit Kontakten des NSU bzw. des engeren NSU-Umfelds nach Baden-Württemberg beschäftigen. Bisher ist es dem Ausschuss nicht gelungen, Erkenntnisse zu Aufenthalten oder Anlaufstellen des Jenaer „Kern-Trios“ im Südwesten zu erlangen, die über das bereits Bekannte hinausgehen.

Als erster Zeuge ist zu diesem Themenkomplex ein Kriminalhauptkommissar des Bundeskriminalamts (BKA) geladen, der über die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen berichten soll. Dabei wird es sicherlich auch um die polizeilichen Vernehmungen des ehemaligen Neonazis und V-Mannes Thomas Starke gehen, den der Ausschuss zuletzt als Zeugen laden wollte. Starke, der heute einen anderen Nachnamen führt, kann als Beschuldigter des NSU-Verfahrens die Aussage verweigern und wurde darum im Ausschuss nicht vernommen.

Als zweiten Zeugen wird der Ausschuss den in Schlema geborenen Chemnitzer Neonazi Markus Fr. hören. Seine Telefonnummer stand auf der Kontaktliste von Uwe Mundlos, die bei der „Garagen-Durchsuchung“ in Jena am 26. Januar 1998 gefunden wurde. Über Markus Fr. kam laut mehrerer Zeugenaussagen in den 1990er Jahren der Kontakt zwischen der Chemnitzer und Jenaer Neonaziszene und Kameraden aus Ludwigsburg zu stande. Fr. besuchte damals eine Berufsschule im Raum Stuttgart und lernte dort den mittlerweile verstorbenen Neonazi Michael Ellinger kennen. Die bereits als ZeugInnen im Ausschuss gehörten (ehemaligen) Szeneangehörigen Hans-Joachim S. und Barbara E.-N. bestätigten bisher, dass es über die Freundschaft zwischen Markus Fr. und Michael Ellinger zu wechselseitigen Besuchen der Ludwigsburger und der Chemnitzer Szene kam. Dabei waren auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Interessant ist Fr. für den Ausschuss auch deshalb, weil er sich mehrfach in Heilbronn aufhielt und dort familiäre Kontakte pflegte.
Markus Fr. wurde am 15. April 2015 im NSU-Prozess in München vernommen. Wie dem Protokoll vom Verhandlungstag zu entnehmen ist, zeigte sich Fr. allerdings kaum kooperativ.

Dritter Zeuge ist der Neonazi, Hooligan und Waffennarr Steffen J. aus Ludwigsburg. Er gehörte zur „Tammer Clique“ und besuchte in den 1990er Jahren die Kneipe „Oase“ in Ludwigsburg, in der sich auch Beate Zschäpe und Uwe Mundlos bei ihren Besuchen aufhielten. Laut eines Presseartikels ist J. wegen zahlreicher schwerer Straftaten polizeibekannt, besitzt aber als Sportschütze mehrere Kurz- und Langwaffen und den Europäischen Feuerwaffenpass.

Als vierte Zeugin wurde die in Stuttgart geborene ehemalige NPD- und JN-Funktionärin Heike Simone W. geladen. Sie trat 1998 in die NPD und die Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) ein, besuchte aber schon in den Jahren zuvor Veranstaltungen der Partei und der rechten Szene im Raum Stuttgart und dem Rems-Murr-Kreis. W. war im JN-Landesvorstand für den Bereich „Kultur & Freizeit“ zuständig. Außerdem war sie Gründungsmitglied der bundesweiten „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ (GDF). Dort sammelten sich weibliche Mitglieder der NPD/JN, aber auch aus „Freien Kameradschaften“. Der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ erklärte Heike W. (damals noch M.) im September 2001 zur GDF: „Wir haben von völkisch-kulturell orientierten Frauen über Polit-AktivistInnen bis hin zu Skingirls die ganze Bandbreite der innerhalb des nationalen Spektrums anzutreffenden Frauentypen in unseren Reihen.“

Letzter Zeuge wird der in Backnang geborene Neonazi und ehemalige NPD/JN-Funktionär Jörg H. sein. Er zählte Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre zu den umtriebigsten NPD/JN-Aktivisten in Baden-Württemberg. Nach eigenen Angaben hatte H. ab 1995 Kontakt zu den JN und wurde dort sowie in der NPD im Jahr 1996 Mitglied. Im Januar 1999 wurde H. zum JN-Stützpunktleiter für den Rems-Murr-Kreis ernannt. Unter seiner Führung fand eine enge Anbindung der NPD/JN-Strukturen an die Neonazi-Skinheadszene statt. Gleichzeitig war H. im JN-Landesvorstand und später im Kreisvorstand der NPD Rems-Murr aktiv. H. pflegt bis heute enge Kontakte zu zahlreichen Personen aus der Neonaziszene, darunter auch ehemalige Mitglieder von „Blood & Honour“. Als interessant gilt einigen VertreterInnen des Ausschusses vermutlich auch der Wohnort von H. bei Oberstenfeld. In der Nähe wurde nach der Ermordung von Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 das Wohnmobil registriert, in dem die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gesessen haben sollen.

Die Sitzung beginnt am Montag, den 19. Juni 2017 um 10.30 Uhr im Plenarsaal des Landtags in Stuttgart. Besucher*innen können jederzeit an der öffentlichen Sitzung teilnehmen. Bringt einfach einen gültigen Personalausweis mit und meldet Euch an der Pforte des Landtages!

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